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neues vom olympBrisantes Dokument stört Harmonie beim IOC

Alles dreht sich ums Geld

Das bittere Jahr der Schmerzen ist vorbei, in Rio de Janeiro präsentierte sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Wochenende wieder in alter Hochform, so als hätte es den Skandal, der die olympische Bewegung in den Grundfesten erschütterte, nie gegeben. Am Ende der Tagung des Exekutivkomitees mit den 199 NOKs gab es die traditionellen Ovationen für den Präsidenten Juan Antonio Samaranch, der mit ein paar Reförmchen erfolgreich die Weltöffentlichkeit besänftigt hat und die Fäden längst wieder in der Hand hält.

Selbst lange Zeit lästige Politiker wie der deutsche Innenminister Otto Schily sind inzwischen auf Schmusekurs geschwenkt, die Internationale Dopingagentur (Wada) hockt, wie vom 79-jährigen Spanier gewünscht, am IOC-Sitz Lausanne, geleitet von IOC-Vitzepräsident Richard Pound, und die Ethik-Kommission, der mit Richter Keba Mbaye aus Senegal natürlich ein IOC-Vizepräsident vorsitzt, ist für die moralischen Alibis zuständig.

Auch die Sprechblasen-Oberhoheit ist wieder hergestellt, wie das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach gern beweist. „Das klare Bekenntnis zur Dopingbekämpfung, sowie die Erörterung so vieler gemeinsamer Fragen wie etwa der Olympischen Solidarität für die Sportler armer Staaten waren die Pluspunkte“, salbaderte das Exekutivmitglied in Rio fröhlich drauflos.

In dieses idyllische Reich der Harmonie platzte ausgerechnet das Organisationskomitee der Winterspiele 2002 in Salt Lake City (Socog) mit einem Querschläger. Socog-Präsident Mitt Romney veröffentlichte ein Dossier aus dem Schatzkästlein seiner korruptionsfreudigen Vorgänger, das sogleich den Namen „Geld-Dokument“ verliehen bekam. Es enthält die Namen etlicher IOC-Mitglieder, die teilweise mit Zusätzen über Vorlieben, Hobbys und in acht Fällen eben mit dem deutschen Wort „Geld“ versehen sind. Die Justizbehörden der USA hatten die Daten bei ihren Ermittlungen auf einer Festplatte des Bewerbungskomitees gefunden.

Schnell zeigte sich, dass das IOC auch seine alte Chuzpe wieder gefunden hat. „Alle Probleme des IOC wurden in Salt Lake City geboren“, betrieb der Mexikaner Mario Vázquez Rana dreiste Schuldzuweisung, „man spricht von Korrupten beim IOC, aber wo es einen Korrupten gibt, gibt es auch zwei.“ Oder eine ganze Menge mehr, möchte man hinzufügen. IOC-Sprecher François Carrard mokierte sich vor allem darüber, dass sein Komitee das Dokument nur 15 Minuten früher erhielt als die Medien.

Diejenigen verbliebenen IOC-Mitglieder, deren Namen die „Geld“-Bemerkung ziert, stritten in bewährter Manier alles ab. „Alles Lügen“, sagt Generalmajor Francis Nyangwesco aus Uganda, Tony Bridge aus Jamaika erklärte: „Ich habe keinen roten Heller bekommen.“ Erstaunlich nur, dass immerhin fünf der acht Geldlinge aus dem Dossier im letzten Jahr der Korruption überführt wurden und dem IOC nicht mehr angehören. Bei der Finnin Pirjo Häggman etwa stand der Zusatz „Ehemann braucht Job“. Tatsächlich erhielt Bjarne Häggman vom Bewerbungskomitee den Auftrag, für 35.000 Dollar eine Feldstudie zu erstellen, die nie jemand las.

Das 28-seitige Papier ähnelt jenen Dossiers, mit denen sich zuerst die tapsigen Olympiabewerber von Berlin erwischen ließen, die es aber auch in Atlanta oder Sydney gab. „Kann gekauft werden“, war zum Beispiel in den Atlanta-Papieren zu lesen, oder auch: „Gift of female OK.“ Die Salt-Lake-City-Version enthält neben Sätzen wie „Tochter würde gern kommen und arbeiten“ (beim rausgeworfenen Ecuadorianer Arroyo, dessen Tochter 23.000 Dollar erhielt), oder „Sohn braucht Zukunft“ (Nyangwesco) auch bloße Informationen zum Status der Person oder kuriose Hinweise wie die Lieblingsschokoladenkekse der Familie des ebenso mächtigen wie verdächtigen Kim-Un Yong aus Südkorea.

Hinter manchen Namen steht auch gar nichts, etwa bei Vizepräsidentin Anita DeFrantz aus den USA („Ich bin froh, dass da nichts ist.“), Samaranch selbst oder Pound. Bei Ethik-Chef Mbaye ist zu lesen: „Muss um jeden Preis Salt Lake besuchen.“ Der Senegalese kam jedoch nicht. „Es hat also nicht geklappt“, sagt zufrieden Mbaye, der nun mit der Angelegenheit befasst ist. Zehn Minuten, nachdem er das Dokument bekam, so Samaranch , habe er es bereits an die Ethik-Komission weiter geleitet. Ansonsten wollte der oberste Olympier nichts zu der Angelegenheit sagen. Das erledigte in altbewährter Manier Monsieur Carrard: „Wir haben unsere Untersuchung geführt, ich denke, wir waren sehr gründlich.“ Alles beim Alten im IOC. MATTI LIESKE

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