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Brigitte Bierlein folgt auf KurzÖsterreichs erste Kanzlerin

Nach dem Misstrauensvotum gegen Sebastian Kurz wird Brigitte Bierlein Kanzlerin des Übergangskabinetts. Zuvor war sie oberste Verfassungsrichterin.

Bierlein hatte nach eigener Aussage nur wenige Stunden Bedenkzeit Foto: reuters

Wien taz | Die Öffentlichkeit kannte sie bisher, wenn überhaupt, mit Hermelinkragen und Richterkappe im schwarzen Talar. Brigitte Bierlein, die erste Frau in der Präsidentschaft des Verfassungsgerichtshofs, wird jetzt Österreichs erste Bundeskanzlerin. Allerdings nur für etwa ein halbes Jahr. Nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die Regierung von Sebastian Kurz muss sie jetzt bis zur Bildung einer neuen Regierung nach den Nationalratswahlen im September ein Expertenkabinett zusammenstellen, das, wie sie selbst, das Vertrauen des Parlaments findet.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sorgte Donnerstagnachmittag für eine Überraschung, als er an der Seite der Spitzenjuristin durch die berühmte Tapetentür in der Wiener Hofburg trat. Die Gerüchteküche hatte ganz andere Namen für den interimistischen Regierungschef in Umlauf gebracht.

Bierlein, geboren 1949 in Wien, hatte erst mit einem Kunststudium geliebäugelt, legte aber dann mit 26 die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 zur Generalanwältin und zehn Jahre später wählten sie die Staatsanwälte zur Vorsitzenden ihrer Standesvertretung. Sie erklärte ihre steile Karriere damals mit einem „gewissen gesunden Ehrgeiz“, gepaart mit „viel Spaß an der Arbeit“.

Ihre Ernennung zur Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs 2003 wurde von der SPÖ zunächst bekämpft. Die „stramme Konservative“ habe keine Erfahrung im Verfassungsrecht. Vergangenes Jahr stieg sie schließlich mit der Pensionierung von Gerhart Holzinger zur Präsidentin des Höchstgerichts auf.

Gut vernetzt

Obwohl sie als ÖVP- und sogar FPÖ-affin gilt, zeigte Bierlein vergangenes Jahr ihre Unabhängigkeit. Die vom damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) geplante Sicherungshaft für Asylwerber sah sie als „klassischen Fall von Anlassgesetzgebung“, der Schutz der persönlichen Freiheit sei in der Verfassung geregelt, die Präventivhaft nicht kenne. Sonst hielt sie sich mit politischen Aussagen zurück. Im vergangenen April betraute man sie mit der heiklen Leitung einer Sonderkommission zur Klärung der Vorwürfe gegen die Ballettschule der Wiener Staatsoper, wo Elevinnen von einer Lehrerin geschunden und zu Hungerkuren gezwungen worden sein sollen.

Bierlein, die in ihrer Freizeit gerne in der Ägäis segelt, fiel immer durch ihre modisch-elegante Kleidung auf. Mit ihrem Lebensgefährten, einem pensionierten Richter, sieht man sie auch häufig in der Oper und im Theater.

Dass die kinderlose Juristin gut vernetzt ist, bewies sie schon bei ihrer Präsentation am Donnerstag, als sie bereits zwei Namen für das Übergangskabinett nannte, obwohl sie nach eigener Aussage nur wenige Stunden Bedenkzeit hatte. Sie will dem Bundespräsidenten nun Personen vorschlagen, die „fachliche Expertise und politische Sensibilität mitbringen“. An den Verfassungsgerichtshof wird sie wohl nicht zurückkehren. Ende des Jahres winkt ihr dort bereits der Ruhestand.

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9 Kommentare

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  • Was haben die Österreicher für ein Glück mit ihrem eloquenten, intelligenten politischem Personal. Das auch noch äußerlich sehr anschaulich ist und Charme hat.



    Wünschte ich mir für Deutschland auch.

  • Letztlich wird es für Hr. Van der Bellen keine leichte Aufgabe gewesen sein jemand für die Zwischenzeit als Kanzlerin zu finden, welche auch handlungsfähig ist, was im Fall von zu divergierenden politischen Auffassungen zwischen Kanzlerin und Kabinett wohl nicht funktioniert hätte. Zudem weiß sie als Juristin um die zu beachtenden staatsrechtlichen Belange, weshalb seine Wahl von B. Bierlein durchaus nachvollziehbar ist.

    • @tazeline:

      Ganz Ihrer Meinung. Ich füge hinzu: es geht immerhin darum, Österreich zuverlässig aus dem Lager des Nationalismus und Rechtsextremismus herauszuführen - keine leichte Aufgabe, die Fingerspitzengefühl erfordert ,,,

  • Im Gegensatz zu Sebastian Kurz hat Brigitte Bierlein ihr Jura-Studium wenigstens abgeschlossen. Auch diesmal hat man aber wohl keine(n) finden können, die (der) auch was Anständiges gelernt hat. (;-))

    • @Rainer B.:

      Wie der Deutschlandfunk berichtet, hat Frau Bierlein (unter anderm) massgeblich bei der Aufarbeitung von Missbrauchs- und Gewaltfällen im kirchlichen Bereich mitgearbeitet.



      'Die von Bierlein mitentwickelte Arbeitsweise der Opferschutzkommission wurde zum Vorbild für später auf Ebene der Bundesländer (Anmerkung: in Österreich) eingerichtete staatliche Kommissionen. Das Modell gilt auch international als vorbildhaft.'

      www.deutschlandfun...rn:news_id=1012575

    • @Rainer B.:

      Was wäre denn was "Anständiges"?

      • @tazeline:

        bestimmt was mit lehrer, hihi.

        • @christine rölke-sommer:

          Wenn man sein Schicksal neuerdings lernen könnte meinetwegen auch das.

      • @tazeline:

        Wissen Sie das wirklich nicht?