Brief von Linda, 44, Leserin seit 25 Jahren, zur letzten gedruckten taz: Meine liebe taz,
Heute schreibe ich dir zum ersten Mal ein paar persönliche Zeilen.
Wehmütig denke ich an den 17. Oktober – mir fällt der Abschied von dir als gedruckter Zeitung wirklich sehr schwer. Ich verstehe den Schritt und bleibe natürlich auch weiterhin Abonnentin, dennoch sträubt sich alles in mir, ständig auf ein Gerät zu schauen, das Rascheln der Zeitung nicht mehr zu hören und mit meinen Gewohnheiten brechen zu müssen. Ich habe so viel mit dir erlebt.
Als ich ungefähr 19 Jahre alt war – inzwischen bin ich 44 –, habe ich dich abonniert. Ich stamme aus einem winzigen Dorf in Schleswig-Holstein, regionale Presse gab es bei uns zu Hause nicht, sondern eine wöchentlich erscheinende, sehr große und dicke Zeitung. Das reichte mir aber nicht – ich wollte täglich informiert werden. Also arbeitete ich an einer Tankstelle und gab mein Geld für dich aus. Danke für dein Solidaritätsprinzip. Dadurch warst du auch für mich finanzierbar.
Mit 20 bin ich von zu Hause ausgezogen, und du bist natürlich mitgekommen – nach Amrum. Später sind wir zusammen nach Leipzig gegangen, und da leben wir bis heute. Ich habe dich an Gefängnisse geschickt, an Nachbar*innen verteilt und ich war jeden Tag glücklich, dass du bei mir im Briefkasten lagst.
Als mein erstes Kind 2006 geboren wurde, habe ich begonnen, jede Geburtstagsausgabe aufzubewahren. Mein großes Kind hat nun also das Glück, 19 Ausgaben der taz zu besitzen. Für die weiteren Kinder kann ich nun nur die wochentaz aufbewahren oder die Digitalausgabe ausdrucken – auch okay, aber nicht dasselbe.
Liebste Print-taz, ich werde dich unendlich vermissen.
Deine Linda
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