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Brexit-Streit um GibraltarKriegerische Töne aus London

Die EU räumt Spanien ein Veto bei Entscheidungen über Gibraltar ein. In Großbritannien ist man darüber erbost, Konservative können sich einen Militäreinsatz vorstellen.

Stein des Anstoßes: der berühmte Felsen von Gibraltar Foto: ap

London/Brüssel dpa | Der Brexit-Streit um die britische Enklave Gibraltar nimmt deutlich an Schärfe zu. Großbritannien pochte am Sonntag auf seine Ansprüche auf das Überseegebiet und verwies Spanien in seine Schranken. Beide Länder streiten seit Jahrhunderten um den Landzipfel im Süden der Iberischen Halbinsel. Vor über 300 Jahren wurde das Territorium formell den Briten zugesprochen.

London wolle gemeinsam mit Gibraltar für das „bestmögliche Ergebnis“ bei den Brexit-Verhandlungen arbeiten, sagte Premierministerin Theresa May in einem Telefonat mit dem Regierungschef der Enklave, Fabián Picardo. Sie werde es nicht zulassen, dass Gibraltar gegen den Willen der Einwohner unter andere Kontrolle gerate, betonte May mit Blick auf Besitzansprüche Madrids. Picardo zeigte sich in Interviews zuversichtlich, dass Großbritannien für Gibraltar kämpfen werde.

Der frühere Vorsitzende der Konservativen Partei Michael Howard hält es nach britischen Medienberichten für möglich, dass May zu einem Krieg zur Verteidigung Gibraltars bereit sei. Emily Thornberry von der oppositionellen Labour-Partei nannte seinen Kommentar aufrührerisch. Die Liberalen Demokraten bezeichneten es als unglaublich, dass nur wenige Tage nach der EU-Austrittserklärung bereits über einen möglichen Krieg gesprochen werde.

Bei den Brexit-Gesprächen soll die spanische Regierung ein Vetorecht bei Entscheidungen über Gibraltar bekommen. Dies geht aus einem am Freitag veröffentlichten EU-Entwurf für die Verhandlungsleitlinien hervor. Während London und Gibraltar den Vorschlag scharf kritisierten, äußerte Madrid sich sehr zufrieden.

Spanische Regierung zeigt sich zufrieden

Gibraltar werde weder ein politisches Pfand noch Opfer beim Austritt aus der Europäischen Union werden, sagte Picardo dem britischen Nachrichtensender Sky News. Die Leitlinien erlaubten Spanien, „Briten auf Gibraltar zu diskriminieren“ und eigene Ziele zu verfolgen. Auch der britische Außenminister Boris Johnson sagte Gibraltar im Kurznachrichtendienst Twitter seine volle Unterstützung zu.

Der spanische Außenminister Alfonso Dastis sagte der Zeitung El País, sein Land beabsichtige nicht, nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU die Grenze zu Gibraltar zu schließen. „Wir möchten, dass die Spanier, die außerhalb Gibraltars leben und in Gibraltar arbeiten, dies auch weiter tun können.“

Der spanische Regierungssprecher Iñigo Méndez de Vigo betonte, dass der Gibraltar-Vorschlag in den Leitlinien sein Land sehr zufriedenstelle. Nicht nur die konservative Regierungspartei PP von Mariano Rajoy, sondern auch die oppositionellen Sozialisten und die liberale Partei Ciudadanos seien sich einig, dass sich nun neue Möglichkeiten mit Blick auf den Landzipfel auftäten.

Großbritannien hatte am vergangenen Mittwoch den EU-Austritt offiziell verkündet. EU-Ratspräsident Donald Tusk verschickte am Freitag den Entwurf für die Verhandlungsleitlinien an die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten.

Darin heißt es: „Wenn das Vereinigte Königreich die Union verlässt, darf kein Abkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich ohne Einverständnis zwischen dem Königreich Spanien und dem Vereinigten Königreich auf das Gebiet von Gibraltar angewandt werden.“

Sondergipfel am 29. April

Über den Entwurf für die Verhandlungsleitlinien soll nun in den nächsten Wochen diskutiert werden. Für den 29. April ist ein EU-Sondergipfel in Brüssel angesetzt. Dort sollen die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden EU-Staaten die Verhandlungsleitlinien beschließen.

Pro Jahr besuchen etwa zehn Millionen Urlauber Gibraltar, das auch „Affenfelsen“ genannt wird. Mit seinen niedrigen Steuersätzen lockt der Landzipfel, der etwa 32.000 Einwohner hat, auch viele Finanzinstitute, Versicherungen und Betreiber von Online-Spielen an.

Bei einem Referendum im Jahr 2002 stimmten 99 Prozent der Bewohner für einen Verbleib bei Großbritannien. Beim Brexit-Referendum vor neun Monaten votierten etwa 96 Prozent gegen die Trennung von der EU.

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18 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Juhu ! Es wurde aber auch Zeit, dass nun wieder die Säbel rasseln in Europa ! Der zweite Weltkrieg ist ja schon so lange vorbei. Klein-Britannien soll sich aber nicht täuschen. Das wird kein Spaziergang wie weiland bei den Falklands. Spanien hat mächtige Verbündete, die Briten stehen allein.

    Es ist aber auch vertrackt mit dem Brexit. Da gibt es ja so viel zu bedenken, dass man gar nicht alles hinbekommt, und dann mal eben "the rock" vergisst.

    Egal. Nun heisst es für das interessierte Publikum: Entspannt zuschauen beim Weg Klein-Britanniens in den Untergang und den wohligen Grusel geniessen ...

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Haha, schön, wie Sie das europäische Pfeifen im Walde karikieren :-)

       

      Wo es doch ganz anders kommen kann: Britannien löst sich von der EU und deren finanziellen Bedinungen, von der Überregulierung und Gleichmacherei, öffnet sich dem Weltmarkt, steuert die Migration nach eigenem Gusto und eigenen Bedürfnissen, vertraut auf Freihandel statt auf französischen Protektionismus - und lässt die anderen weit hinter sich zurück.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @TurboPorter:

        Genau. Es erscheint absolut vernünftig den größten Binnenmarkt und Wirtschaftsraum der Welt zu verlassen und auf alle damit verbundenen Privilegien und Rechte zu verzichten. Dann mal eben 60 Milliarden Euro für den Austritt berappen um sodann mit jedem einzelenen EU-Staat sowie den assoziierten einzelne Wirtschaftsabkommen zu schliessen. Wenn die Briten Glück haben, dürfen Sie für einzelne Zugeständnisse bei Handel und Binnenmarkt ordentlich Geld bezahlen, wie Norwegen oder die Schweiz. Wenns schlecht läuft, geht alles nach WTO. Ein kleiner und gemeiner Rückfall in die 50er Jahre. Wohl bekomms !

        Derweil bricht Britannien auseinander, weil weder Schotten noch Nordiren dieser Wahnsinn zu vermitteln ist. Und mit Trump verhandelt es sich sicherlich auch viel leichter, wenn man ganz allein steht.

        Wie gesagt: Eine Blaupause wie man es auf gar keinen Fall machen darf ...

  • Das hat was von: Wir gegen uns!

    Zumindest NATO-technisch.

     

    Den Engländern ist offenbar zu Kopf gestiegen, dass sie zuletzt bei zwei Turnieren endlich auf Augenhöhe mit den Spaniern waren:

    Bei der WM beide raus in der Vorrunde, bei der EM beide raus im Achtelfinale.

    ;-)

  • Hitler hat das auch immer geärgert, dass Franco ihm nicht bei einem Überfall auf Gibraltar helfen wollte.

     

    Offenbar hat die heutige EU-Großmacht Deutschland die jetzigen spanischen Herrscher besser im Griff.

  • Ne ne ne

    Nationalismus und Militarismus

    tun jedem weh.

  • Gibraltar first!

  • Ich weiß von einigen Deutschen, die ihr Domizil aus Gründen der "Steueroptimierung" nach Gibraltar verlegt haben. Wenn die Briten das militärisch sichern wollen, hätte es ja fast schon wieder was "Europäisches".

    Und das würden sich die Brexiteure doch nur ungern vorwerfen lassen, oder?

     

    Ich glaube kaum, dass die Schafe damals aus steuerlichen Gründen auf die Falklands gezogen sind, deshalb wird diese Geschichte hier geringfügig anders ausgehen als der Falklandkrieg.

     

    Geisteskrank ist das Ganze (die ganze Diskussion!) natürlich trotzdem, aber Geisteskrankheit liegt voll im Trend der Zeit...

  • Die EU könnte in ihren Beziehungen zu Grossbritannien darauf schauen, dass die Absicht der Briten respektiert wird und der Abschied so vollzogen wird, dass beide Seiten soweit wie möglich davon profitieren - win-win.

     

    Statt dessen aber kleingeistige Manöver, beleidigte Trotzreaktionen und verbrannte-Erde-Taktik der EU. Attraktiver wird die Gemeinschaft dadurch nicht.

  • Das ging ja um einiges schneller als gedacht, dass schon wieder der naechste europaeische Krieg im Raum steht. Und da sag noch einer, die EU habe nicht den Frieden in Europa sicher gestellt.

    • @Christian:

      ...nicht wahr ? Alleine schon das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine wäre doch den Friedensnobelpreis wert gewesen.

       

      Ok, Nörgler gibt es immer. Altkanzler Schmidt meinte z.B. in einem Interview im Mai 2014 die Ukrainepolitik der EU-Kommission sei unfähig und größenwahnsinnig. Sie mische sich in die Weltpolitik ein und provoziere damit die Gefahr eines Krieges...

  • Gibraltar wurde den Briten nicht "zugesprochen", sondern 1713 von Spanien offiziell im Frieden von Utrecht abgetreten. Gibraltar ist ja keine Kolonie.

    Mir ist auch völlig unklar, was Spanien damit bezweckt. Die Einwohner Gibraltars wollen mit Spanien gar nichts zu tun haben. Da gäbe es gleich Sezessionskrieg, wenn die Spanier einrücken.

    Ausserdem sollte Spanien mal überlegen, was denn mit Ceuta und Melilla ist.

    • @Frank Erlangen:

      Gibraltar hat heute den Status "Britisches Überseegebiet". dieser Status wurde 2002 eingeführt und löste die bis dahin gültige Bezeichnung "Britisches abhängiges Gebiet" ab. Diese galt seit 1981, vorher hiess Gibraltar einfach "Kronkolonie", bzw. "Kolonie".

       

      Gibraltar ist also eine britische Kolonie. Die Einwohner hatten beim Brexit-Referendum mit 96% für einen Verbleib in der EU gestimmt, augenblicklich befindet sich die lokale Regierung, ebenso wie die der Nordiren, in "Konsultationen" mit Schottland über deren Erfahrungen mit der Durchführung eines Referendums zum Austritt aus dem Vereinigten Britischen Königreich.

       

      Das könnte bald nur noch aus England und Wales bestehen.

      • @cursed with a brain:

        Und daher ist die Forderung, dass kein Abkommen zwischen der EU und London ohne Zustimmung Spaniens auf Gibraltar angewendet werden darf auch durchaus verständlich und um mehr geht es doch gar nicht. Für Gibraltar gelten derzeit ja auch schon spezielle Regeln.

        • @JoWall:

          Nee, demokratisch wäre, wenn kein Abkommen zwischen EU und UK ohne Zustimmung der Einwohner von Gibraltar auf Gibraltar angewendet werden darf.

          Die Spanier geht das nun wirklich einen Scheißdreck an.

        • @JoWall:

          Gibraltar wird, auf sich gestellt, mit großer wahrscheinlichkeit wirtschaftlich nicht überlebensfähig sein. Vermutlich wird man dort nach einem Austritt aus dem "Empire" (bzw. dessen qualmenden Resten) eher über kurz als über lang den Anschluß an das spanische Königreich suchen, eventuell als "autonome Region" (so, wie die Katalanen oder die Basken; Spanien hat da inzwischen schon etwas Erfahrung gesammelt).

           

          Eine Entwicklung in diese Richtung fände auch mein Wohlwollen. Die martialischen Töne aus dem Unterhaus sind wohl der Tatsache geschuldet, dass Britanninen mit seiner "Kanonenbootpolitik" in der Vergangenheit oftmals Erfolge erzielen konnte, weil das Gegenüber schlecht darauf vorbereitet war.

           

          Hoffen wir nur, dass die konservativen britischen Rummsmurmeln an den Gibraltarern kein zweites "Pinkie Cleugh" statuieren wollen.

  • Hab ich jetzt wirklich das Wort "Krieg" gelesen? Welcher Spirit ist derzeit in der Welt. Mit Dummheit muss man sich ja schon in der letzten Zeit genug beschäftigen, jetzt kommt noch reine Idiotie dazu. It`s magic.

    • @lulu schlawiner:

      Ja, das hat der Type wohl wirklich gesagt. Auf der anderen Seite, wem interessiert das Rumtrollen eines Ex-Politikers? Macht sich in erster Linie gut als Schlagzeile um Werbeeinnahmen zu generieren.

      Wenn Spanien wie damals Argentinien einfach Gibraltar militärisch angreift, wäre eine militärische Gegenreaktion ja auch nicht so unerwartet, aber damit droht Spanien ja nicht mal ansatzweise. Wenn die Franzosen Jersey angreifen, würden die Briten ja sicherlich auch nicht ruhig zusehen.