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Brexit-Debatte im britischen ParlamentWeitere Niederlage für Theresa May

Die britischen Abgeordneten verschärfen die Regeln für das Szenario eines No-Deal-Brexits. Es ist eine Machtdemonstration gegenüber Premierministerin May.

Die Abstimmung zeigt, wie geschwächt Theresa Mays Position ist Foto: dpa

London rtr | Wenige Tage vor der angekündigten Abstimmung über den Brexit hat die britische Premierministerin Theresa May im Parlament einen weiteren Rückschlag hinnehmen müssen. Die Abgeordneten setzten durch, dass die Regierung ausdrücklich die Zustimmung des Parlaments benötigt, bevor sie zur Vorbereitung eines Austritts aus der EU ohne Vereinbarung („No-Deal Brexit“) auf bestimmte Befugnisse bei der Steuer-Gesetzgebung zurückgreifen kann.

303 Parlamentarier stimmten für diesen Weg, 296 dagegen. Ein Regierungssprecher sagte dazu am Abend, trotz des Ergebnisses werde sich der Fakt nicht ändern, dass Großbritannien die EU am 29. März verlasse. Mays Büro hatte zuvor gesagt, bei dem Thema des Votums handele es sich um eine eher technische Sache. Tatsächlich spiegelt das Ergebnis aber auch Mays schwache Position wider. Das Parlament soll Medienberichten zufolge am 15. Januar über den Vertrag abstimmen, den May mit der EU über den Austritt verhandelt hat. Der Ausgang ist offen.

May hat erklärt, das Parlament müsse der Vereinbarung zustimmen, wenn es einen ungeregelten Brexit verhindern wolle. Im Dezember hatte sie das Votum kurzfristig verschoben, nachdem sich im Parlament eine Ablehnung abzeichnete. Widerstand kam dabei auch aus Mays eigener Partei.

Die Regierung hat erklärt, dass Großbritannien die EU ohne einen Deal verlässt, wenn das Unterhaus dem ausgehandelten Vertrag mit der Staatengemeinschaft nicht zustimmt. Austrittsdatum ist bislang der 29. März. Am Dienstag hatte es Spekulationen gegeben, der Termin könnte verschoben werden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte zuletzt gewarnt, ein ungeordneter Brexit würde die Wirtschaft in Europa und in Großbritannien sehr schwer treffen.

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5 Kommentare

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  • Das ist nichts als heiße Luft.

    Wenn das Parlament sich am 15.01. (oder wann auch immer endlich abgestimmt wird) nicht dazu durchringen kann, May's Deal abzusegnen, dann müsste die Regierung die Austrittserklärung nach Paragraph 50 zurückziehen, sonst ist das UK am 30. März automatisch ohne Austrittsvereinbarung draußen und zwar mit oder ohne Zustimmung des Parlaments. May hat aber die Rücknahme der Austrittserklärung ausgeschlossen.

    Das bedeutet, dass das Parlament rechtzeitig vor dem Stichtag May abwählen und eine Regierung einsetzen müsste, die diesen Exit vom Brexit auch durchzieht. Kaum denkbar.

    • @Zwieblinger:

      Einen No-Deal wirds nicht geben.



      Jonathan Powell, Tony Blairs Mann fürs Grobe, Pendant zum hiesigen Kanzleramtsminister, kann sich nicht vorstellen, dass die Regierung nicht in letzter Minute die Austrittserklärung zurückzieht.

      Denn eins wollen die Leute keinesfalls: Dass eine Regierung, egal welcher Couleur, normalen Regierungspflichten nicht nachkommt, indem sie das totale Chaos riskiert (die Übungen bisher waren reine Erpressungsversuche). Labour hat das selbst einmal erlebt.

      Ich teile diese Einschätzung. Es sind immer dieselben Vernünftigen aus allen Parteien, die Theresa May entgegentreten, und Hoffnung auf einen klugen, vom Parlament gesteuerten weiteren Prozess machen.



      May selber hat durch ihre Kapitulation vor der Ukip-Mentalität, dem Insistieren auf einem Ausscheiden aus Binnenmarkt und Zollunion, den Ast abgeschnitten, auf dem sie so penetrant ausharrt.



      Sie ist die unfähigste Politikerin seit sehr langer Zeit und den Ultranationalisten auf den Leim gegangen. Sie stand schon als Innenministerin Seehofer in nichts nach.



      Deshalb gibt es jetzt nur zwei kluge Lösungen: Entweder ein für GB neu auszuhandelndes Modell, das dem mit Norwegen ähnelt, aber für ein so großes und wichtiges Land Sonderwünsche berücksichtigt (nicht Mays krasse Rosinenpickerei natürlich), oder der simple Verbleib in der EU.



      Das Norwegen-ähnliche Modell bräuchte aber eine neue Koalition im britischen Parlament, zum Beispiel. Und etwas Geduld (die meisten haben das Thema gründlich satt). Es hätte jedoch den Vorteil, dem ersten Referendum mit größerem Respekt zu begegnen.



      UK könnte ausprobieren, was es bringt, so wahnsinnig unabhängig zu sein (ohne das Omelett wieder in ein Ei verwandeln zu müssen, was den simple minds vorschwebte, angestachelt von Gisela Stuart, einer Deutschen, "who had gone native").

      Zur Wutbürger u. Brexit-Mentalität verweise ich da noch auf Hartmut Rosas Analysen, sehr empfehlenswert.

      • @Ataraxia:

        „Es sind immer dieselben Vernünftigen aus allen Parteien, die Theresa May entgegentreten, und Hoffnung auf einen klugen, vom Parlament gesteuerten weiteren Prozess machen.“

        Wollen wir hoffen, dass Sie Recht behalten. Ich bin da bei Weitem skeptischer. Eine Koalition der Vernünftigen aller im Parlament vertretenen Parteien würde mindestens die Tories zerreißen.



        Andererseits verstehe ich auch das Versagen der Labour-Spitze um Corbyn nicht. Meint er wirklich, nach Neuwahlen einen sozial(istisch)en Brexit unter einer Labour-Regierung erreichen zu können?

        • @Zwieblinger:

          "Andererseits verstehe ich auch das Versagen der Labour-Spitze um Corbyn nicht. Meint er wirklich, nach Neuwahlen einen sozial(istisch)en Brexit unter einer Labour-Regierung erreichen zu können?"

          Es ist eigentlich nur Brexit-Fan Corbyn, der hier versagt. 90% der Labour-Mitglieder wollen inzwischen keinen Brexit. Sie wissen, dass sie mit dieser Haltung die kommenden Wahlen gewinnen würden, aber Corbyn blockiert sowohl die eindeutige Parteihaltung als auch eine neue Volksabstimmung, mit dem Resultat, dass Labour in Umfragen zuweilen sogar hinter den Tories liegt und die LibDems zulegen. Er ist der schlechteste Parteichef, den Labour je hatte.

        • @Zwieblinger:

          haben sie etwas gedult.



          Corbyn is clever.



          er wartet ruhig ab was passiert um im richtingen moment zuzuschlagen.



          think: Skyler White buying the car wash from Bogdan Wolynetz.



          ;O]