Bremer Umweltsenatorin tritt zurück: Senatorin stürzt über Staatsrätin
Bremens Umweltressort braucht eine neue Chefin: Kathrin Moosdorf geht. Sie konnte nicht erklären, warum ihre Staatsrätin mit goldenem Handschlag ging.
Der Grund für Moosdorfs Rücktritt: Eine Personalentscheidung. Oder genauer: Der Vorwurf, Steuergelder verschwendet zu haben. Bei der Frühpensionierung ihrer Staatsrätin hatte die Senatorin die teuerste Lösung gewählt – und im Anschluss widersprüchliche Erklärungen dazu abgegeben.
Mitte September hatte das Ressort bekannt gegeben, dass Senatorin Moosdorf ihre Staatsrätin für Wissenschaft, Irene Strebl „nach einvernehmlichen Gesprächen“ zum 1. Oktober hin in den einstweiligen Ruhestand versetzen werde: Die 59-Jährige, so hieß es, habe der Senatorin eröffnet, dass „ihre persönliche Situation“ die benötigte „Tatkraft für längere Zeit nicht zulassen“ werde. Die Pressemitteilung war voll des Lobes für die schwindende Staatsrätin Strebl.
Allerdings: Das Instrument des einstweiligen Ruhestandes ist teuer – und eigentlich für andere Umstände gedacht: Es ist eine Sonderlösung für politische Beamt*innen und wird gezogen, wenn das (politische) Vertrauen der Regierung fehlt. Typischerweise ist das der Fall nach einer Wahl, denn Staaträt*innen setzen die inhaltliche Ausrichtung einer Behörde um und müssen somit zu den politischen Zielen der jeweiligen Regierung passen.
Warum wählte Moosdorf die teuerste Lösung?
Doch einen solchen Wechsel an der Behördenspitze hatte es nicht gegeben. Moosdorf hatte Irene Strebl vor zwei Jahren selbst eingestellt. Und aus ihrer Mitteilung ließ auch nichts darauf schließen, dass sie seitdem das Vertrauen in ihre Staatsrätin für Wissenschaft verloren habe.
Das Problem: Für den Staat ist eine solche Entlassung die teuerste Lösung. Den Staatsrät*innen a.D. wird der Abschied finanziell versüßt: Drei Monate lang bekommen sie ihr altes Gehalt, danach noch ein „Übergangsgeld“: 71,75 Prozent der Bezüge, so lange, wie sie ihr Amt ausgeübt haben – zwei Jahre lang also im Falle von Strebl.
Auch im Anschluss fallen sie nicht tief: Sie können dann direkt ihr Ruhegehalt beziehen, auch wenn sie regulär noch nicht das Pensionsalter erreicht haben. Zumindest dann, wenn sie mindestens zwei Jahre lang auf ihrem letzten Posten waren – bei Strebl wurde der Abschied zwei Jahre und zwei Tage nach Dienstbeginn verkündet. Und es geht hier keineswegs um eine geringe Summe: Strebl hatte zuletzt Bezüge von rund 11.400 Euro. Bei einer Entlassung auf eigenen Wunsch hätte sie auf Übergangsgeld und Ruhegeld verzichten müssen.
Schon wenige Tage nach der ersten Mitteilung hörte sich die Erklärung aus der Umweltbehörde ganz anders an: Senatorin Kathrin Moosdorf hätte ihre Staatsrätin entlassen müssen, da sie „nicht mehr das Vertrauen hatte, dass Frau Strebl die geeignete Person ist, mit der sie die politischen Ziele des Senats erreichen kann“.
Wie diese Erklärung zu der ersten Mitteilung passt, das sollte Moosdorf bei einer Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am Donnerstag persönlich erklären. Doch es gelang ihr offenbar nicht, die Vorwürfe eines goldenen Handschlags dort auszuräumen: Weser Kurier und das Regionalmagazin Butenunbinnen von Radio Bremen berichten übereinstimmend, dass Moosdorf in ihrer Verteidigung hilflos gewirkt und sich auf immer gleiche juristische Floskeln zurückgezogen habe.
Dabei hat die schriftliche Erklärung, die die Behörde zuvor auf Anfrage der CDU zusammengestellt hatte, durchaus stimmige Erklärungen parat. Der Senat zitiert zwei Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes: Die Maßnahme bedürfe „nach herrschender Meinung keiner Angabe eines besonderen Grundes“. Ein Vertrauensverlust könnte demnach nicht nur durch eine abweichende politische Ausrichtung entstehen, sondern auch durch „das Vorliegen von Zweifeln an der fachlichen und persönlichen Eignung“.
Solche Zweifel könnte man mit Wohlwollen aus Moosdorfs erster Pressemitteilung herauslesen: Immerhin ist auch dort die Rede davon, dass die bisherige Tatkraft nicht mehr gegeben sei.
Doch in ihrer Verteidigung vor dem Haushaltsausschuss berief sich Moosdorf offenbar nicht auf solche Zweifel für die Zukunft, sondern sprach von schwerwiegenden Fehlern in der Vergangenheit: „Ich habe festgestellt, dass die Situation schlecht ist“, so Moosdorf laut Weser Kurier. Strebl habe viel Arbeit liegen lassen, etwa bei der anstehenden Konzeption für eine Kreislaufstrategie in der Abfallwirtschaft.
Unglaubwürdig wirkt das, weil in der ersten Mitteilung keine Rede von Fehlern oder Versäumnissen war. Im Gegenteil: Moosdorf bedauerte darin Strebls Weggang „außerordentlich“ und attestierte ihr: „Ihre Arbeit war immer von „tiefer Sachkenntnis, außerordentlichem Engagement und vor allem Teamfähigkeit geprägt. Sie hat ihre Themen mit voller Kraft bearbeitet.“
Rücktritt erspart Untersuchungsausschuss
Moosdorf begründete ihren Rücktritt am Samstag damit, sie wolle Schaden von ihrem Ressort und dem Senat abwenden. Tatsächlich hatte die CDU bereits angekündigt, die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu prüfen. Das bleibt dem Senat nun erspart.
Für einen Imageschaden für den Senat sorgt der Schritt dennoch: Drei Rücktritte seit August werfen kein gutes Licht auf den Senat Bovenschulte II, auch wenn die Entscheidungen je unterschiedliche Gründe hatten. So war der Rücktritt des 74-jährigen Innensenators Ulrich Mäurer zum Jahresende hin altersbedingt begründet worden und wirkt einigermaßen geordnet: Im konservativen Spektrum hat Mäurer als ordnungspolitischer Hardliner durchaus Fans.
Für sein hartes Vorgehen gegen Anbieter von Sportwetten und Spielhallen sowie für seinen Mut, die Kosten für Bundesliga-Hochrisikospiele der Bundesliga aufzubürden, hat er aber auch in anderen Kreisen Anerkennung bekommen. Zuletzt freilich merkte man, dass der Innensenator mit seinen Positionen oft Alleingänge startete, ohne Rückhalt bei Koalitionsfraktionen oder Senatskollegium.
Bei Bildungssenatorin Aulepp dagegen lief es schon lange nicht mehr rund, der Rücktritt war von der Opposition zuletzt regelmäßig gefordert worden. Auch Schulleiter, Kita-Leitungen und Elternvertreter hatten sich zuletzt gegen die Senatorin gestellt. Aktionen wie der Runde Tisch Bildung, die helfen sollten, den Knoten zu lösen und verschiedene Akteure der Bildungspolitik zusammenzubringen, waren wirkungslos.
Bei der Grünen Moosdorf war das bisher anders: Einigermaßen reibungslos (allerdings auch nicht immer sehr sichtbar) schien die Senatorin das Ressort zu leiten. Sogar die CDU, die den Rücktritt als einzig richtige Konsequenz ihres Auftritts bewertet, schreibt in ihrer Mitteilung, menschlich habe man die Senatorin immer geschätzt.
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