Bremer Polizeiarzt weiter allein vor Gericht: Brechmitteltod neu aufgerollt
Im Bremer Brechmittelprozess könnte es laut Bundesgerichtshof mehrere Schuldige geben. Doch nun steht ein Polizeiarzt wieder allein vor Gericht.
BREMEN taz | Die Staatsanwaltschaft Bremen hat sich endgültig dagegen entschieden, gegen weitere Beteiligte am Brechmitteltod des Sierra Leoners Laya-Alama Condé Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Das gab die Anklagebehörde am Dienstag bekannt. Gleichzeitig begann am Bremer Landgericht die zweite Verhandlung gegen den Polizeiarzt Igor V.
Ihm wird vorgeworfen, Condé im Dezember 2004 bei einer zwangsweisen Brechmittelvergabe im Bremer Polizeipräsidium fahrlässig getötet zu haben. 2008 hatte ihn das Landgericht Bremen freigesprochen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil jedoch auf.
Am gestrigen Dienstag erklärte V., weiter schweigen zu wollen. Dafür las der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann vor, wie der BGH das Urteil zerpflückt hatte, mit dem Kellermanns Kollege Bernd Asbrock V. von der Schuld am Tod Condés freigesprochen hatte.
Asbrock hatte befunden, dass V. zwar "objektive fachliche Fehler" begangen habe, diese jedoch wegen mangelnder Erfahrung "subjektiv nicht erkennen" konnte. Und V.s Überforderung schließe eine Strafverfolgung aus.
Das Urteil war seinerzeit nicht nur bei vielen Prozessbeobachtern auf Unverständnis gestoßen. Auch die Bundesrichter mochten Asbrock nicht folgen: V. habe die "zureichende Anamnese" und die "gebotene Aufklärung" zu Beginn der Zwangsmaßnahme unterlassen. Dazu hätten ihn "weder Eile noch Verständigungsprobleme berechtigt", so ihr Revisionsurteil.
Auch habe V. es "vorurteilsbedingt" unterlassen, Condé zu untersuchen, als sein Zustand während der so genannten "Zwangsexkorporation" kritisch geworden war. V. hatte später ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass "Schwarzafrikaner häufig simulieren und sich totstellen".
Schließlich habe V. die "Grenze der Gewaltanwendung überschritten, als er mit einem Holzspatel und einer Pinzette in V.s Hals herumstocherte, um weiteres Würgen auszulösen, als die Wirkung des Brechsirups nachgelassen hatte.
Auch für V. als "Ermittlungsgehilfen der Polizei" habe es "auf der Hand gelegen, dass die Menschenwürde es gebot, die Maßnahme abzubrechen", nachdem Condé das erste Kokainkügelchen ausgespien hatte, so der BGH. V. jedoch habe die Exkorporation "um jeden Preis und unter vollständiger Mißachtung der Belange des Angeklagten" durchgeführt, schließt das BGH-Urteil.
Aus diesem Grunde könnte sogar eine Anklage wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge angezeigt sein - auch wenn es noch "andere Mitwirkende mit höherem Anteil" an Schuld gebe.
Einer der weiteren Mitwirkenden, der Polizist F., der Condé auf der Straße festgenommen und dabei Schluckbewegungen beobachtet hatte, sagte am Dienstag als erster Zeuge aus. Condé sei "für einen Schwarzafrikaner eigentlich sehr freundlich gewesen" und habe sich "überhaupt nicht gewehrt".
Allerdings habe er das "Angebot", den Brechsirup freiwillig zu trinken, abgelehnt. Daraufhin fesselten er und ein Kollege ihn mit Kabelbindern, V. schob einen 70 Zentimeter langen Schlauch durch Condés Nase in seinen Magen. Per Spritze flößte V. ihm erst Brechsirup und Wasser ein.
"Irgendwann war er dann ziemlich ruhig", schilderte F. "Das war für uns aber nicht besorgniserregend, ich hatte das schon oft, dass Schwarzafrikaner schauspielern." Am Ende quoll Condé Schaum aus Wasser und Nase. "Ich hab mich gefragt, warum dreht der" - gemeint war der zwischenzeitlich hinzugerufene Notarzt - "ihn nicht eben schnell um, damit das Wasser rauslaufen kann."
Tatsächlich lief das Wasser in die Lunge. Condé ertrank und fiel ins Koma und erwachte nicht wieder. Bis Juni sind weitere Verhandlungstermine angesetzt.
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