Bremer Mister Universum

■ Männer, Muskeln, Muntermacher – Lutz Wilke wirbt für Biszeps und Brause

Mittwoch, Punkt 22 Uhr: Während draußen die Karussells hupen, steigt in Halle 5 der Theaterqualm hoch. „Wollen Sie mal einen anständigen Männerkörper sehen, wollen sie ihn mal anfassen?“ DJ Heinz heizt ein, zum „Highlight des Abends“. Und nun kreischen die Frauen, gröhlen die Kerle, denn da kommt er auf seiner Harley hereingedonnert, Mister Universum, der Mann aller Männer!

Rote Hose, schwarze Lederjacke und darunter nichts als braungebrannte Muskeln. Zum Rhythmus der Discomusik läßt Mister Universum seinen Bizeps spielen, posiert gekonnt, läßt Sehnen hüpfen und Herzen höher schlagen. „Das ist endlich mal ein Kerl“, entfährt es einer älteren Dame. Noch höher schlagen die Wogen der Begeisterung, als er, abgesehen von dem, was in einem blauen Slip steckt, alles zeigt, was er zu bieten hat. Das ist zu viel des Guten für einen Zuschauer: „Das ist doch alles aufgeblasen. Ich hab doch wohl ne bessere Figur als der“, schiebt er trotzig seinen Bierwanst vor.

Zehn Minuten dauert das Gefühlswirrwar vor der Bühne. Dann ist die Show vorbei, alle Autogrammkarten sind geworfen, Mister Universum verläßt die Empore. „Frauen“, setzt DJ Heinz nach,“ die sich einmal von ihm in den Arm nehmen wollen lassen, oder vielleicht auch eine Frage stellen wollen oder sowas,“ können sich jetzt zum „Willpower-Stand“ begeben.

Daß Mister Universum eigentlich Lutz Wilke heißt und aus Bremen stammt, ahnt wahrscheinlich niemand. Bis vor 12 Jahren war er ein unauffälliger „Durchschnittstyp“, sagt seine Managerin, ein Student, „den jeder Windstoß umgepustet hätte“. Als ein Freund ihn ins Body-Buildingstudio mitschleifen wollte, hatte Lutz Wilke noch schwere Vorbehalte gegen die Fitneßbranche. Ein paar Trainingseinheiten reichten, um das zu ändern. Lutz Wilke spürte: „Man fühlt sich fit, und optisch verändert sich auch ein bißchen.“ Das ist heute nicht mehr zu übersehen, Lutz Wilke mutierte vom schlappen Jesus zum strammen Adam. Beinahe aus schierem Muskelfleisch bestehen die 108 Kilo, die sich auf 1,78 Meter Körperlänge verteilen. Lutz Wilke gewann bereits 1991 die Deutsche Meisterschaft und wurde im selben Jahr Vize-Europa-Meister. Zwei jahre später war er Weltmeister, bis er im Oktober 94 von einer internationalen Jury der „National Amateur Body-Building Association“ zum Mister Universum gewählt wurde.

Seitdem „verkörpert er den neuen Helden, das Märchen vom häßlichen Entlein zum schönen Schwan, die neue Männlichkeit gepaart mit Abenteuer und Entdeckungslust“, heißt es in seinem Pressematerial. Ganz so versteht er sich allerdings nicht. Der 36jährige lebt ein stinknormales Leben, ist verheiratet, futtert Spaghetti, Reis und viel Gemüse, wird demnächst sein Biologiestudium beenden und betreibt seit kurzem ein eigenes Body-Building-Studio. Das mit dem Helden, sagt er, ist eher „ein werbewirksames Klischee. In meinem Studio bin ich der Lutz.“

Noch, muß man ergänzen, denn womöglich kennt man ihn bald nur als „Willpower“-Lutz. Denn seit kurzem Zeit posiert der Mann für eine quietschrosa Brause. Ein Guarana-Koffein-Gemisch, das jede Müdigkeit verscheuchen und zu ewiger Dauerpower führen soll. „Und ob das wirkt“, versichert eine junge Willpower-Animateurin, die mit drei Dosen von dem Saft 24 Stunden problemlos durcharbeitete. „Nur die Knie taten irgendwann weh vom Stehen.“

Sowas mögen die Extasy-Kids, ganze Klassenverbände drängen sich vor dem „Willpower“-Stand, wo man gerade Werbeaufnahmen macht: Mister Universum, der auf der Harley, eine Dose zwischen Bizeps und Faust einklemmt. Mister Universum, der am Stand posiert und in die Kamera prostet. Mister ... – der arme Mann hat mittlerweile schon diverse Büchsen intus. Dabei umflirrt ihn eine Schar untergroßer, dicker, aber quirliger Produktmamager, die ihm ständig neue Dosen und Anweisungen geben:

Jetzt bitteschön die Damen mit aufs Motorrad! Die Schülerinnen kichern, vielleicht werden sie ja für den Film entdeckt. Lutz Wilke weiß nicht mehr, wohin mit seinen Armen. Um die jungen Ladies mag er sie nicht legen. Er ist eben doch nicht der Werbeheld, das ehrt ihn. Das finden auch die umstehenden Frauen. Und wie schmeckt ihnen der Energy-Drink? Die Antwort ist vernichtend: „Zum Kotzen.“ dah