Bremer Medienanstalt hypt Influencer: Völlig außer Kontrolle

In einem Podcast hofiert die Bremer Medienanstaltsdirektorin einen zweifelhaften Insta-Star. Die Kritik daran reduziert sie auf Geschmacksfragen.

Blick in Hamburgs Messehalle, wo Influencer als Marketing-Rockstars gefeiert werden

Auch Marketing-Stars brauchen Groupies: Die Direktorin der Medienanstalt bietet sich an Foto: Christian Charisius/dpa

BREMEN taz| Bremens Medienaufsicht hat sich ein neues Betätigungsfeld ausgesucht: Die Landesmedienanstalt Brema, zuständig für die Aufsicht im privaten Hörfunk und Fernsehen einschließlich Internet, sendet jetzt selbst. Einen Podcast. „Frau Holsten fragt nach“ heißt der. Am Mikro: Brema-Direktorin Cornelia Holsten persönlich, oder, um ihr selbst das Wort zu geben: „Ich bin die Medienaufsicht.“ Und die versagt. Völlig.

Das lässt sich beim Anhören der ersten Podcastfolge mehr als nur erahnen – und dank der umfangreichen Recherche der Medienjournalisten Boris Rosenkranz und Marcel Nährig fürs bundesweit anerkannte Portal uebermedien.de mit Bestimmtheit feststellen.

Sorgfaltspflicht? Besser nicht!

Denn Holsten, die qua Amt über die Einhaltung anerkannter journalistischer Grundsätze wie Sorgfaltspflicht und Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt zu wachen hat, nimmt ihre Radioshow von den Bestimmungen des Landesmediengesetzes offenbar aus.

Statt nachzufragen, gibt sie Studiogast Maximilian Georg Arnold eine Bühne, auf der er plaudern kann über sein Leben als Instagram-Influencer. Seine Web-Präsenz wird von Holsten durchgängig mit Hochwertworten gerühmt. Sie nennt ihn „sehr, sehr erfolgreich“, fragt ihn, ob er in Schlabberklamotten Brötchen kauft, lobt, dass er so toll guten Morgen sage und findet sogar seinen Namen „wirklich schön“: Sie macht also, was ein Werbe-Podcast für den Fashion-Blogger aus Bremen auch machen würde.

Arnold ist ein Unternehmen: Er verdient „unmenschlich viel Geld“ durch Product-Placements und Werbevideos. Dafür täuscht er eine glamouröse Identität vor, die aber, das ist der Witz bei Instagram, authentisch wirken soll.

„Oh Gott!“, sagt Direktorin Cornelia Holsten, „ich wollte gar nicht so den Finger in die Wunde legen“

Mittlerweile fragt der junge Mann sich selbst, ob diese Identität fake sei und bekennt, dass sich vieles ändern müsse, damit er selbst noch hinter seinen Auftritten stehen könne. Wie echt die Zweifel sind, lässt sich angesichts von drei in den letzten zehn Tagen publizierten Plagiaten, die uebermedien nachweist, schwer sagen. Der Plattform gegenüber bezeichnet Arnold seine Copyrightverstöße immerhin als „absolutes Fehlverhalten“.

Nicht so bei Frau Holsten, deren GEZ-finanzierte Anstalt die Medienkompetenz im Lande zu mehren hat, Copyright-Sensibilisierung inklusive. Holsten unterbindet nämlich jede kritische Selbstreflexion sofort: Als Arnold einräumt, es könne „der eine oder andere etwas Unseriöses“ in seiner wirtschaftlichen Existenz sehen, erschrickt die Brema-Direktorin: „O Gott!“, sagt sie, „ich wollte gar nicht so den Finger in die Wunde legen“.

Eine Zote als Ausweg

Stattdessen versucht sie sich mit einer Zote. Bloß hat sie nicht mitbekommen, dass ihr Studiogast seinen zweiten Vornamen mittlerweile nicht mehr durch Binneninitial abkürzt, weil er anzügliche Nachrichten bekommen habe, „haha G-Punkt“, macht er deutlich, wie primitiv die Pointe ist, auf die Holsten zusteuert. „Ja, dass ich das noch nicht wusste …“, versucht sie nun fortzusetzen, „so viel zur Frage, wie aufmerksam immer die Aufsicht ist“ (2:54).

Wahrgenommen worden ist der Podcast bislang nur von wenigen. Auch Bremens FachpolitikerInnen sind am Mittwoch noch nicht mit dem Content vertraut, den Holsten „im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit“ erzeugt hat. Zusätzliche Kosten seien dafür keine angefallen, heißt es von ihrer Sprecherin und sie bewertet das alles auch als „rechtlich gesehen völlig in Ordnung“.

Ein „Dilemma“ erkennt Magnus Buhlert, medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Zwar sei es richtig, wenn eine Brema-Direktorin „auf das, was sie im Amt tut, öffentlich hinweist“. Aber „wenn sie das versucht, muss sie die Kriterien im Kopf haben und die Qualität muss stimmen“.

Alles nur Geschmackssache

Qualität bemisst sich daran, wie gesteckte Ziele erreicht werden. Als „das Ziel“ des Podcasts benennt die Brema, „Hintergründe, Beweggründe und Trends von Medien einem interessierten Publikum zu vermitteln“. Dafür habe Holsten ihre Expertise eingesetzt. Gutes Beispiel: „Das habe ich auch nie verstanden, diese ganzen Fashion-Regeln, woher Sie die kennen.“

Auf ungeschriebene Fashion-Regeln zieht sich auch die Brema zur Bewertung des eigenen Podcast zurück. Wenn das jemand als Werbe-Block für einen zweifelhaften Social-Media-Star bewerte, sei das nur „eine Frage des persönlichen Geschmacks“. Der, das ist bekannt, ist einer Kontrolle nicht zugänglich.

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