: Bremer Fleischliches
■ Wie den Bremer KundInnen die Angst vorm Fleischlichen genommen werden soll / Fleisch-Gütesiegel bedeuten bessere ware, aber kein Bio-Fleisch
Für Bremens Fleischer-Obermei ster Rudolf Langrock ist in Bremen die Welt noch in Ordnung. Daran ändert auch der nordrhein-westfälische Kälberskandal wenig. „Wir haben hier aber keine Schuld“, ist der erste Satz gegenüber der taz. „Natürlich ist der Kunde verunsichert, weil so kriminelle Menschen so böse Sachen getan haben“, räumt Langrock ein, „aber wir in der freien Hansestadt Bremen haben echtes, gutes Vertrauen zu unseren Viehhändlern.“ Schließlich, so malt der Fleischerchef der Kreishandwerkerschaft blumig aus, sieht man doch bei jedem Radausflug mit eigenem bloßem Auge die saftigen grünen Weiden im niedersächsischen Umland, und „solch gutes Vieh“ nein, der Obermeister weiß: „Da hatten wir noch keinen Kummer.“
Daß kein Metzger im Augenblick Kalbfleisch im Kühltresen anzubieten braucht, versteht sich von selbst: „Das kauft mir keiner ab!“ Vertrauen ist das Stichwort, mit dem jetzt die FleischerInnen versuchen, den KundInnen die Angst vorm Fleischlichen zu nehmen. „Vertrauen Sie Ihrem Fleischermeister!“ steht auf den Plakaten und Flugblättern, die die bremischen und niedersächsischen Kollegen zusammen für den Fleischtresen entworfen und gedruckt haben. Die KundInnen hatten nach den ekelhaften Meldungen über die Kälbermast deut
lich weniger Lust auf käufliches Fleisch gezeigt.
Obermeister Rudolf Landrock ist seit 45 Jahren im Beruf, hat selbst eine Fleischerei und Wurstfabrikation. „Ich kenne meine Viehhändler, die hier im Umkreis von 40 Kilometern auf die Höfe fahren und Tiere kaufen. Ich kenne auch viele Höfe.“ Im Rheinland, das liegt für den Fleischer auf der Hand, grenzen ja die Städte aneinander, leben so viele Menschen - das muß ja schon aus Platzmangel zu Massenhaltung führen. Allerdings: Ob auch in den Tierställen der schönen niedersächsischen Bauernhäuser das holländische Wunderpulver verfüttert wird, ob die Tiere bis zur Bewegungslosigkeit angebunden in Dunkelheit gehalten werden - vielleicht nicht aus Platzmangel, sondern weil 3.000 Kälber in Boxen mehr bringen als 30 auf der Weide - das kann natürlich auch ein Obermeister nicht sicher ausschließen: „Ich kann nicht in die Ställe reingucken!“ Massentierhaltung jedenfalls schließt Landrock für die bremisch-niedersächsische Region entschieden aus: „Das wäre mir bekannt!“
Andere sehen das anders. „In Bremen ist ebensowenig alles bestens wie überall“, kommentierte bündig der Öko-Schlachter Andreas Raab. „Hier bei uns wird doch in großen Mengen Fleisch aus der Massentierhaltung angeboten, ganz besonders natürlich
in den Supermarkt-Ketten“, erklärte die Ernährungs -Referentin der Verbraucherzentrale, Theodora Plate, gegenüber der taz. Kalbfleisch sei dabei nur „die Spitze des Eisbergs“. „Natürlich“ gäbe es auch rund um Bremen Massentierhaltung von Rindern, Schweinen, Geflügel, etwa den Aldi-Lieferanten und „Eierkönig“ Pullmann. Die Verbraucher -Zentrale schwimmt nach dem Kälberskandal in Anfragen und Protesten von empörten und besorgten KundInnen. Weil die VerbraucherInnen seit Jahren von immer neuen Skandalen erfahren, erstreckt sich die Skepsis nicht nur auf Kalbfleisch. „Die meisten fragen, wo es Bio-Fleisch gibt oder welcher Bauer direkt Fleisch verkauft“, berichtete Plate. Die ErnährungsberaterInnen empfehlen grundsätzlich erstens, überhaupt nur ein- bis zweimal pro Woche Fleisch zu essen („Fleisch ist ein großes Problem für die Gesundheit“) und lieber mehr Getreide, Obst und Gemüse zu verzehren. Wenn schon Fleisch, dann vom Bio-Schlachter.
Seit einiger Zeit gibt es auch in Bremen in einigen Fachgeschäften Marken-Fleisch mit Gütesiegel. „sus agnatum“ etwa ist Schweinefleisch von Vertragshöfen, die bestimmte Produktionsbedingungen einhalten müssen und sich als Mittelweg zwischen Bioprodukt und Massenhaltung
verstehen. Mit den Markensiegeln „Landjuwel“ oder „Bauernsiegel“ setzen sich Erzeugergemeinschaften gegen Massen-Mästerei ab und erhoffen sich so Umsatzsteigerungen. Nur in den letzten vier Monaten der Ferkel-Mast allerdings ist der Einsatz von Antibiotika verboten; und vorher darf auch mit Wachstumsförderern produziert werden. Auch in „Bauernsiegel„-Ställen stehen die Schweine nach wie vor auf Spaltenböden ohne Stroh, wo prima Urin und Kot abfließen, die Tiere aber Klauen- und Gelenkschäden kriegen und durch das dauernde Stehen in der kalten Ammoniak-Luft gleich über der Güllegrube an den Atmungsorganen erkranken.
Für Öko-Fleischer Andreas Raab sind diese Fleischsiegel „Etikettenschwindel, Augenwischerei“. - „Klar, das ist besseres Fleisch. Das ist Qualitätsfleisch - aber kein Biofleisch.“ Dazu nämlich gehören für Raab Strohböden und Bewegungsfreiheit für die Tiere, grundsätzlich gesundes unverseuchtes Futter ohne Medikamente und Hormone, eine langsame, artgerechte Mast - kurz: „daß man sieht, daß die Tiere zufrieden sind!“
Seit dem Fleischskandal kann Raab sich vor KundInnen kaum retten. „Bei uns ist absoluter Boom seit dem Skandal, obwohl die Bio-Welle eigentlich am Abebben ist.“ Susanne Paa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen