Bremer Erfog beim Bildungsmonitor: Zwei plus sechs macht fünf
Den Erfolg bildungspolitischer Maßnahmen zu messen, ist schwer. Die Initiative Soziale Marktwirtschaft addiert dafür möglichst unterschiedliche Kennziffern. Bremen kam diesmal gut weg.
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Gute Nachrichten für Bremen sind in bildungspolitischen Rankings eher selten, und so freut sich die Wissenschafts- und Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) natürlich über den „Platz 5“ im diesjährigen Bildungsmonitor, den das „Institut der deutschen Wirtschaft“ Köln (IW) im Auftrag der von Arbeitgeberverbänden finanzierten „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) erstellt hat. Vor acht Jahren lag Bremen noch auf dem 15. Rang – dort, wo Berlin diesmal platziert wurde.
Auch im Vergleich 2011 und 2012 hat Bremen noch einmal deutlich hinzugewonnen – die Gründe dafür zeigen aber schon, wie fragwürdig solche globalen Kennziffern sind: Das aktuelle „Plus“ gab es, weil Bremens Professoren mehr Drittmittel eingeworben haben, weil es mehr Habilitationen pro Professorenstelle gab und weil der Anteil an SchülerInnen in „gebundenen Ganztagsschulen“ noch einmal deutlich gestiegen ist. Gemessen an der Einwohnerzahl hatte Bremen (2011) im Ländervergleich „die höchste Zahl an verfügbaren betrieblichen Ausbildungsplätzen“.
Grundsätzlich positiv bewertet wird von der arbeitgebernahen Untersuchung auch der Schwerpunkt der Bremer Uni auf Hochtechnologie: „Mit 20,1 Prozent hatte im Jahr 2010 kein anderes Bundesland einen solch hohen Anteil an Hochschulabsolventen in Mathematik/Informatik/Naturwissenschaften (MINT)“, heißt es im Bericht. Krasses Gegenbeispiel beim MINT-Kriterium ist Hamburg.
Nicht verbessert hat sich derweil Bremens Einstufung bei den Problemgruppen des Bildungssystems. Hier stützt sich das Institut für Wirtschaft auch auf bekannte Zahlen, die drei oder mehr Jahre alt sind. So hatte schon die Kultusministerkonferenz 2010 in ihrem „Bildungsbericht“ festgestellt, dass in Bremen für jeden zehnten Schüler alle drei Risiko-Faktoren zutreffen: erwerbslose Eltern, bildungsferne Eltern, Armut. Zum Vergleich: In Bayern ist das nur für 1,7 Prozent eines Jahrgangs der Fall. Sinnvoll ist bei solchen Kennziffern natürlich nur der Großstadt-Vergleich: Für Berlin liegt die Kennziffer bei 6,4 Prozent, für Hamburg bei 7,5 Prozent.
Die KMK-Bericht, darauf verweist Michael Huesmann von der Bildungsbehörde, hat beim Migrationshintergrund mehr differenziert: Migranten aus asiatischen Ländern oder auch Osteuropa haben oft eine sehr hohe Leistungsmotivation und würden für sich nicht als „Risiko“-Gruppe geführt.
Der Bildungsbericht der KMK hatte vor der „Betreuungsgeld“-Idee der CDU für Kinder, die nicht in die Kita gehen, gewarnt. Das Institut der deutschen Wirtschaft stellt sehr ausführlich die Bedeutung von qualifizierter frühkindlicher Bildung heraus. Als „Plus“ für Bremen wird die vergleichsweise hohe Akademiker-Quote in der Kinderbetreuung angeführt.
Besonders bei Kindern, deren Mütter Migrationshintergrund haben, gibt es eine hohe Korrelation zwischen Bildungserfolg und früher Betreuung in öffentlichen Einrichtungen, so zitiert der Bildungsmonitor pädagogische Studien. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft begreift Bildungspolitik als „investive Sozialpolitik“: Es zahle sich am Ende aus, wenn der Staat insbesondere für eine Ganztagsinfrastruktur von Kitas und Schulen und eine individuelle Förderung der Kinder sorge.
75.000 Akademiker leben in Bremen – 6.000 Hochschulabschlüsse im Jahr bedeuten da einen Quotienten von rund acht Prozent, wenn man beide Zahlen in Verhältnis setzt. „Bremen ist eine wichtige Akademikerschmiede Deutschlands“, schließ der Bildungsmonitor aus seiner kleinen Rechnung. Das Fazit ist sicher richtig, die Begründung aber Unsinn – je kleiner die Universitätsstädte sind, desto größter dürfte der Quotient sein. Das Bundesland Bremen ist eben eine Stadt mit großer Universität.
„Wir freuen uns über den fünften Platz“, sagt Bildungssenatorin Jürgens-Pieper. Vor allem, weil in der Studie nicht nur auf die bekannten Problemzonen hingewiesen wird, sondern auch auf Bereiche erfolgreicher Arbeit – eben die berufliche und die universitäre Bildung. Für die vergleichende Analyse der eigenen bildungspolitischen Anstrengungen stützt sich die Behörde dabei auf andere Expertisen als die des Instituts der deutschen Wirtschaft.
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