„Liebe taz...“: Bremen zwischen Zeven und Friesoythe
„City Campus für den Teerhof“, taz bremen vom 22. August
Als Architekturstudent baute ich in den 60er Jahren ein Modell zu einem Hochhaus auf dem Teerhof. Ich war ganz angetan von dem Entwurf und wünschte mir die Realisierung, es sollte ja etwas Besonderes werden. Heute blicke ich aus meinem Büro über der Schlachte auf den Teerhof und bin froh, dass dieses 60er-Jahre-Konzept nicht realisiert wurde: Wir müssten wahrscheinlich eine abbruchreife Büro-/Wohnmaschine in der überlebten Architektursprache der 60er Jahre ertragen.
Aber so ist es mit den herausragenden Sensationen: Sie starten dem Zeitgeist entsprechend mit großen Ambitionen, sind dann aber für lange Zeit eine städtebauliche Hypothek. Wie z.B. das Siemenshochhaus, das durch die Stadtgemeinde aufgefangen wird, nachdem es Siemens nicht mehr modern genug ist! Ironie der Geschichte: Nun dürfen bald die Stadtplaner, die ewigen Bremser des Fortschritts, darin arbeiten und endlich einmal fantasievolle Ideen entwickeln.
Städtebau und Stadtgeschichte erfordern Langlebigkeit, Bewahrung, Berücksichtigung, Einfügung und Planung mit Bedacht. Modische Schnellschlüsse im Interesse von Bauunternehmern/Investoren nach Art von Morschel/Planungsgruppe 3, Zech/Klumpp oder Zech/BRT sind doch eigentlich recht durchsichtig. Das entsprechende Geraune passt: „Schon wieder Zech.., da wird doch gemauschelt!“. Morschel ist seinerzeit mit Richard Boljahn und dem Makler Lohmann als Trio „Bolli, Lolli und Molli“ im Bremer Baulandskandal abgestiegen. Ob wir sowas in ähnlicher Form noch einmal erleben mit „Eck..., Zeck...,weg“?
Böhrnsens Erkenntnis „Bremen ist nicht Manhattan“ hat unser zunehmend geschätzter ehemaliger Baustaatsrat Eberhard Kulenkampff bereits vor zehn Jahren in den passenderen Ausspruch gekleidet: „Bremen ist das Oberzentrum zwischen Zeven und Friesoythe“. Was soll das Politikergefasel von der „Metropole Bremen“? Fehlt der Mut, Bremen in seiner Beschaulichkeit als “das Dorf mit Straßenbahn“ zu aktzeptieren, müssen Hochhäuser gebaut werden, um Stadt zu beweisen? Passen würde es: Dorfpolitiker glauben, dass mit der ersten Ampel in der Ortsdurchfahrt die neuen Zeiten einziehen... und „Investoren“ nutzen diese Einfalt.
Übrigens habe ich nichts gegen Modernität und Fortschritt - aber was ist das?
Harm Wulfers Dipl.-Ing. für Stadtplanung im Amt für Stadtplanung und Bauordnung
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen