Bremen verliert im Uefa-Pokalfinale: Die Papiertiger
Werder Bremen scheitert im Uefa-Pokalfinale an Schachtjor Donezk. Ohne Spielmacher Diego und die Hilfe einer Hamburger Papierkugel reicht es nur zu einem 1:2.
ISTANBUL taz | Gut fünf Minuten stand Klaus Allofs im Dieseldunst des ukrainischen Mannschaftsbusses. Der Mief schien auf ihn eine Wirkung zu haben wie Lachgas. Seine Äuglein strahlten, die Wangen glühten rot, die Worte waren voller Zuversicht. Noch eine Minute länger und der Manager von Werder Bremen hätte unter dem Einfluss der Giftschwaden vom Spiel seiner Mannschaft geschwärmt, die Journalisten umarmt und einen grandiosen Werder-Sieg im DFB-Pokalfinale in Berlin vorhergesagt.
Doch soweit sollte es nicht kommen. Klaus Allofs entfernte sich rechtzeitig aus dem kontaminierten Bereich und kam unter Frischluftzufuhr wohl bald wieder zu Sinnen. Es gebe "wieder beste Aussichten", sagte er, dem Team könne er nicht böse sein, dass es verloren habe, 1:2 nach Verlängerung gegen Schachtjor Donezk, "wir konnten das nicht besser spielen".
Ja, wenn die großen Strategen dabei gewesen wären, Mertesacker, Diego und Almeida, ja, dann wäre sicher etwas drin gewesen vor 40.000 Zuschauern im Sükrü-Saracoglu-Stadion von Istanbul, aber da sich der blonde Abwehrspieler wegen seines Bänderrisses noch immer auf Krücken fortbewegt und die beiden anderen gesperrt fehlten, "war es eben nicht das Werder, das man kennt", sagte Allofs.
Das war die Formel, auf die er es brachte: Weil sie dezimiert in das wichtigste Vereinsspiel seit 1992, den Uefa-Pokaltriumph gegen Monaco, gegangen waren, habe nichts richtig funktioniert, manche Spieler seien der Situation überdies nicht gewachsen gewesen.
Werder Bremen:
Wiese - Fritz (95. Pasanen), Prödl, Naldo, Boenisch - Baumann, Niemeyer (103. Tziolis) - Frings, Özil - Pizarro, Rosenberg (78. Hunt)
Schachtjor Donezk:
Pjatow - Srna, Kutscher, Tschygrynski, Rat - Ilsinho (100. Gai), Lewandowski, Fernandinho, Willian - Jadson (112. Duljaj), Luiz Adriano (90. Gladki)
Tore: 1:0 Luiz Adriano (25.), 1:1 Naldo (35.), 2:1 Jadson (97.)
Gelbe Karten: Ilsinho, Lewandowski, Srna / Boenisch, Tziolis, Fritz, Frings
Schiedsrichter: Cantalejo (Spanien)
Zuschauer: 40 000
Auf Anhieb fallen einem da Sebastian Prödl ein, Sebastian Böhnisch oder Mesut Ösil, der am Mittwochabend unter einer schweren Spielhemmung litt. Nichts, aber auch gar nichts glückte ihm, dem Mittelfeldmann, der vor Anpfiff als Diego-Kreativersatz in Erwägung gezogen worden war. Doch nicht nur er kam nicht auf Touren. Ideenlos wurde der Ball nach vorne gebolzt, spekulative Pässe, in der Hoffnung geschlagen, sie mögen irgendwie den richtigen Mann erreichen, prägten oftmals das Angriffsspiel der Bremer.
Nur durch einen gewaltigen Freistoss von Naldo und einem Torwartpatzer von Andrej Pjatov kam Werder zu einem Tor, dem Ausgleich. Nichts war zu sehen von der jahrelang gepflegten hanseatischen Spielkultur, dem intelligenten Kurzpassspiel und den blitzgescheiten Ideen der Offensivspieler. Schwerfällig ging's in den Reihen der Grün-Weißen zu, fast schon grobschlächtig. Werder Bremen spielte nicht besser als eine mittelmäßige Bundesligamannschaft, die sie rein faktisch ja auch ist.
Der Uefa-Pokal ist mit dieser Partie perdu. Er wird nicht mehr fortgesetzt, geht in der Europe League auf. In Schönheit ist dieser ruhmreiche Wettbewerb wahrlich nicht gestorben, dafür war das finale Finale zu nichtssagend und lau. Es war weit davon entfernt, eine Leistungsschau des kontinentalen Fußballsports zu sein. Von Mannschaften, die den AC Mailand, Udine, Tottenham oder Olympique Marseille aus dem Weg geräumt haben, hätte man ein bisschen mehr erwarten dürfen als biederes Ballgeschiebe.
Donezk bemühte sich wenigstens, spielerisch zu überzeugen, was auch ab und zu gelang, vielleicht, weil der Angriff der Orangen nicht im finsteren Donbass groß geworden ist, sondern eher im sonnigen Ipanema. Gleich fünf Brasilianer schickte der rumänische Erfolgstrainer Mircea Lucesco aufs Feld, vier davon waren im Angriff postiert. Sie kombinierten recht hübsch, doch erst der beste Spieler auf dem Platz, der Kroate Darijo Srna musste her, um den Siegtreffer mit einer Flanke einzuleiten.
Srna ist noch einer jener Spieler, die Lucesco von seinem Vorgänger übernommen hat. Der Rumäne rühmt sich ja, "Provinzmannschaften aus dem Nichts heraus zu formen", doch im Fall von Schachtjor ist es wohl nicht nur der Sachverstand des Trainers gewesen, der einst dem AC Mailand, Besiktas oder Galatasaray Istanbul aus dem Nichts ins Rampenlicht verholfen hat, sondern vor allem das Geld des Oligarchen Rinat Achmetov.
Schachtjor ist mit dem Sieg automatisch für die neue Europe League qualifiziert, Werder Bremen hat noch kein Billet, um künftig die internationale Bühne zu betreten. Werder könnte es im DFB-Pokalfinale lösen. Sie spielen am übernächsten Samstag gegen Bayer Leverkusen. Dieses Spiel ist für Bremen eine Entscheidungsschlacht über die nahe Zukunft. Im Bundesliga-Finale, das Werder beim designierten Meister, VfL Wolfburg, bestreitet, geht es indes um rein gar nichts mehr - für Bremen.
Sie haben in Istanbul zwar versprochen, müde und enttäuscht, wie sie waren, die Meisterschaft nicht zu verzerren, aber was sollen sie auch anderes sagen. Klaus Allofs war gedanklich voll ausgerichtet auf das Finale Nummero zwo in Berlin. "Die Spieler dürfen heute noch traurig sein", sagte er, "ich und Thomas Schaaf dürfen es aber jetzt schon nicht mehr sein, denn wir müssen planen auf das Pokal-Finale hin." Deswegen wirkte er also geradezu aufgekratzt und berufsoptimistisch.
Er sieht noch eine Chance in dem Spiel, das das letzte von Diego im Werder-Dress sein wird; der Brasilianer hat am Mittwoch seinen Abschied nach dieser Saison bestätigt. "Wir gehen das jetzt konzentriert an", sagte Allofs, "morgen dreht sich die Welt weiter." Coach Schaaf sah das ähnlich: "Für uns ist die Saison noch nicht zu Ende, wir müssen jetzt versuchen, die Mannschaft wieder in Gang zu bringen". Es gibt leichtere Aufgaben.
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