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Bremen in der Bundesliga-RelegationWerder kann noch Wunder

Aus fast aussichtsloser Lage hat sich Werder Bremen in die Relegation gerettet – dank eines furiosen Siegs gegen Köln und der Hilfe von Union Berlin.

Endlich mal wieder ein Grund zum Feiern: Werder in der Relegation Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Bremen taz | Sieben Minuten reichten, um die Endzeitstimmung, die sich rund um Werder Bremen über Monate aufgebaut hatte, zu vertreiben. Die Vorberichte zum 1900. Bundesliga-Spiel lasen sich wie Nachrufe. Nach der 1:3-Niederlage bei Mainz 05 schien auch die letzte Chance auf den Klassenerhalt verspielt.

Nun benötigte die Mannschaft neben einem eigenen, möglichst hohen Sieg gegen den 1. FC Köln auch noch die Schützenhilfe von Union Berlin, das zeitgleich gegen Fortuna Düsseldorf antrat, den einzig verbliebenen Konkurrenten um den Relegationsplatz. „Immer weiter mit Eisern Union“ – als Nina Hagens Version der Union-Hymne vor dem Anpfiff durchs fast leere Weser-Stadion röhrte, wirkte das wie der verzweifelte Versuch, mittels Fernbeschwörung doch noch irgendwie Einfluss auf das zu nehmen, was sich 400 Kilometer weiter östlich abspielte.

Doch dann erzielten die Bremer nach nervösem Beginn zwischen der 22. und 29. Minute drei Tore – in allen vorherigen sechzehn Heimspielen zusammen waren es nur neun gewesen. Die Abwehr der Kölner wirkte dabei so löchrig, dass ein Sieg mit vier Toren Abstand in den Bereich des Möglichen rückte. Der hätte selbst bei einem Punktgewinn der Düsseldorfer für den 16. Platz gereicht.

Aufgedreht wirbelten die zuvor lange Zeit gehemmt wirkenden Torschützen Milot Rashica und Yuya Osako und der lange verletzte Niclas Füllkrug durch die Kölner Reihen. Als Stadionsprecher Arnd Zeigler mit dem 3:0 durch Füllkrug auch das 1:0 für Union Berlin meldete, steckte im Jubel des ohnehin durchgängig lauten Bremer Mini-Anhangs aus Betreuern und Ersatzspielern erstmals nicht nur Hoffnung, sondern auch Glaube.

Das Ziel: vier Tore vor

Trainer Florian Kohfeldt drehte sich nach der Stadiondurchsage Richtung Sprecherkabine um und legte den Finger auf die Lippen – als Signal, weitere Spielstände aus Berlin nicht mehr durchzusagen. Wenn man sich auf eines in dieser missratenen Saison bei der Werder-Mannschaft verlassen konnte: Immer dann, wenn es die Chance gab, sich aus dem Sumpf zu ziehen, wurde sie hektisch und rückte vom vorgegeben Plan ab. Umgekehrt entfaltete sie immer dann ihre größten Kräfte, wenn sie fast schon abgeschrieben war.

„Wir brauchen die vier Tore Unterschied“, rief Kohfeldt noch aufs Spielfeld, als seine Mannschaft nach weiteren Toren von Osako, Davy Claassen und Josh Sargent schon mit 6:1 führte und Düsseldorf in Berlin mit 0:2 hinten lag. Wie schnell die Rheinländer das aufholen können, hatten sie erst in der vorigen Woche gegen RB Leipzig bewiesen.

Nach sehr viel Pech mit einer beispiellosen Verletzungsserie, umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen und rigideren Trainingsbeschränkungen als bei der Konkurrenz hat Werder zum Schluss doch noch einmal in den richtigen Lostopf gegriffen. Und das Glück gehabt, dass der Gegner schon in Urlaubsstimmung war, während Fortuna Düsseldorf es mit einem zu tun bekam, der nochmal alles gab.

Ein glückliches Händchen hatte Kohfeldt auch damit, Füllkrug nach seinem Kreuzband­riss im September das erste Mal wieder in der Startelf aufzustellen, obwohl seine Fitness erst für eine Stunde reicht. Füllkrug ist der einzige Werderaner, der die Mentalität und Energie ausstrahlt, mit der in der vergangenen Saison Max Kruse seine Mitspieler in schwierigen Situationen angesteckt hat. An Füllkrugs Seite wirkten auch Rashica und Osako sofort inspirierter und entschlossener.

In der Relegation braucht Werder kein Wunder, sondern eine ganz normale Leistung – fast die größere Herausforderung

Schon während des Spiels drangen von den Wiesen am Osterdeich Jubelgesänge ins Stadion. In der VIP-Etage sollen die Honoratioren nach Spielschluss „Schenk ein, schenk ein, es zahlt der Verein“, angestimmt haben. Vor dem Stadion und später am Sielwall versammelten sich hunderte Anhänger*innen und begossen das „Wunder“, wie die Rettung auf den Relegationsplatz immer wieder genannt wurde.

In den Relegationsspielen gegen den 1. FC Heidenheim am Donnerstag und Montag braucht Werder kein Wunder, sondern eine ganz normale Arbeitsleistung. Aber das ist für diese Mannschaft fast die größere Herausforderung.

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1 Kommentar

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  • Ich mag die Religation nicht, Bremen hätte absteigen müssen.

    Da versaut ein Verein die ganze Bundesligasaison und kann sich dann mit einem mehr als schlechten Spiel und dank eines Eigentores retten.