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Bremen im Eimer-Krieg

■ MüllberaterInnen bedroht / Müllmänner sauer / BEB: SPD treibt die Gebühren hoch

Die MüllberaterInnen von den Bremer Entsorgungsbetrieben sind Kummer gewohnt. Schließlich kriegen sie auch in Normalzeiten den Ärger all derjenigen ab, die mit der Müllabfuhr nicht recht zufrieden sind. Aber was den MitarbeiterInnen im BEB-Infomobil auf dem Ansgarikirchhof seit dem Müllkübel-Vorstoß von Bürgerschafts-SPD und Klaus Wedemeier wiederfahren ist, das haben sie noch nicht erlebt. „Blanker Haß: Die Leute haben sie angepöbelt, beschimpft, es hat sogar Tätlichkeiten gegeben“, sagte ein Mitarbeiter der BEB. Gestern mittag schlossen die MüllberaterInnen frustriert ihr Infomobil ab und hängten einen Zettel auf: Wegen der unklaren Beschlußlage zu den Mülleimern sei die Beratung bis auf weiteres geschlossen. Und den BEB-MitarbeiterInnen am Telefon ging es kaum anders. Die erste Beschimpfungswelle nach den Artikeln über die neuen Müllgebühren war gerade abgeebbt. Doch das sei kein Vergleich zu dem gewesen, was mit dem SPD-Kübelbeschluß eingesetzt habe. „Die Leute fühlen sich nur noch verarscht.“

Bremen – eine Stadt im Eimer-Krieg. Die SozialdemokratInnen und der Bürgermeister haben bei vielen die Hoffnung geweckt, doch noch um die ungeliebten großen Tonnen herumzukommen. Und andere, die die großen Tonnen schon haben aber nicht haben wollten, hat die vollmundige Ankündigung, der Zwang zur großen Tonne sei vom Tisch, stocksauer gemacht. Das emotionale Gewitter, das die SPD damit zusammengebraut hatte, entlud sich gestern über den MitarbeiterInnen der BEB.

Und nicht nur das: Sollte die 35-Liter-Tonne tatsächlich bleiben, dann geht das auf die Knochen der Müllmänner. Das stinkt denen gewaltig. Der Personalrat der BEB hat gestern einen harzigen Brief an Klaus Wedemeier geschrieben: Es sei doch ziemlich verwunderlich, was die SPD und er da beschlossen hätten. Sie hätten vor mehr als einem Jahr der neuen Müllpolitik und damit den großen Tonnen zugestimmt, und deren Einführung sei schon lange Forderung der Müllmänner gewesen. Mühselig hätten die MitarbeiterInnen der BEB die BremerInnen beraten, mittlerweile hätten 70 Prozent der Haushalte die neuen Eimer bekommen – und nun sowas. „Unsere in den Abfallbereichen tätigen Kolleginnen und Kollegen sind total frustriert.“ Und schließlich verursache die Beibehaltung der Kleineimer Kosten in Millionenhöhe. „Dieses Geld muß letztlich von den Bürgern aufgebracht werden!!“, so der Personalrat an Wedemeier. Und die freundlichen Grüße verkniff er sich.

Wieviel die SPD-Pläne kosten, das haben die BEB mittlerweile auch ausgerechnet. Die Beibehaltung der 35-Liter-Eimer würde einen Rattenschwanz von Folgen nach sich ziehen: Die neuen Eimer sind längst geliefert, die blieben auf Lager liegen; mögliche Rücktauschaktionen würden genauso Kosten verursachen wie der Rück-Rücktausch nach der zweijährigen Übergangszeit, die die SPD vorgeschlagen hatte. Aber am teuersten ist die Abfuhr. Die kleinen Tonnen sind nämlich weder codierbar noch passen sie zu den neuen Müllwagen der BEB. Das heißt, alte Müllwagen, die das Unternehmen mit der Umstellung eigentlich abstoßen wollte, müßten behalten, nur wegen der kleinen Eimer müßten Extratouren gefahren werden. Das alles würde summasummarum 3,6 Millionen Mark im Jahr kosten. Die BremerInnen müßten wegen der sozialdemokratischen Großkübelallergie vier bis fünf Prozent höhere Müllgebühren berappen. Das wollten die BEB für alle Fälle doch schonmal anmelden. Der Senat hat sich gestern noch nicht auf ein ultimatives Bremer Kübelsystem einigen können. J.G.

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