Bremen: Moody’s senkt den Daumen: Bank mit vielen Baustellen

Im April schien noch alles in Ordnung. Jetzt droht dem klammen Bremen ein finanzielles Desaster oder gar der Verlust seiner Hausbank nach Hannover.

Das Gebäude ist fertig, sein Inneres aber mehr denn je eine Baustelle: Bremer Landesbank Foto: Ingo Wagner/dpa

BERLIN taz | Die Schifffahrtskrise fordert ein weiteres Opfer. Bislang galt die Bremer Landesbank (BLB) als Inbegriff des Soliden. Und hob sich damit von anderen staatlichen Instituten wie HSH Nordbank oder Bayern LB ab. „Langweilige Geschäfte sind gute Geschäfte.“ Dieses Zitat von Vorstandsboss Stephan-Andreas Kaulvers wurde zum geflügelten Wort in der deutschen Finanzszene. Doch plötzlich fehlen hunderte Millionen Euro.

Dem öffentlichen Geldhaus droht in diesem Jahr ein Verlust in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Gemessen an der Größe der Bank – das Geschäftsvolumen beträgt „nur“ 32 Milliarden Euro – ist diese Summe dramatisch. Bremer Medien berichten von fehlenden Reserven. So könnte das „Missmanagement“ letztlich zulasten der Steuerzahler gehen. Die Republik habe nach Jahren scheinbarer Ruhe wieder einen „Landesbank-Skandal“.

Ausgelöst hatten die überraschende Ad-hoc-Meldung der BLB vor einer Woche die verschärften Bilanzregeln, wie sie die neu eingerichtete Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank fordert. Dabei schien die Welt noch im April an der Weser in Ordnung zu sein. Doch sechs Wochen nach der Bilanz-Pressekonferenz ist plötzlich von „bislang nicht eingeplanten Einzelwertberichtigungen auf das Schiffskreditportfolio in Höhe eines hohen dreistelligen Millionenbetrages“ die Rede. Woher kommt dieser Wertberichtigungsbedarf?

Die Landesbank hat nach den Angaben einer Sprecherin 6,5 Milliarden Euro an Schiffskrediten in ihren Büchern stehen. An der Weser spricht man von „anhaltend schwierigen Marktbedingungen“ in der maritimen Wirtschaft. Im Boom-Jahr 2008 gab es für einen mittelgroßen Frachter etwa 30.000 Dollar Miete am Tag – heute beträgt die Tagesrate weit unter 10.000 Dollar.

In Deutschland traf die hausgemachte Schifffahrtskrise besonders hart die HSH Nordbank, bis dahin der weltweit größte Schiffsfinanzier. Hamburg und Schleswig-Holstein stehen noch mit Milliarden Euro im Feuer.

Globalisierung sowie Großmannssucht von Managern und Politikern haben den einst als regionale Förderer gedachten Landesbanken schwer geschadet. Die WestLB wurde wie die SachsenLB zerschlagen. Die BayernLB musste vom Freistaat mit 10 Milliarden Euro gerettet werden.

Die staatlichen Rettungsaktionen riefen die Europäische Kommission auf den Plan. Sie zwang in diesem Jahr die Länder, ihre HSH Nordbank bis 2018 zu privatisieren.

Schuld am Ratenverfall sind Reeder, Investoren und Banken, die in den Boomjahren immer mehr und immer größere Schiffe bauen ließen. Nach einer zwischenzeitlichen Erholung des Welthandels sanken die Frachtraten für viele Schiffstypen seit Herbst wieder drastisch.

Eine Folge sind leckgeschlagene Reedereikonzerne. Deutschlands Nummer eins Hapag-Lloyd versucht sich durch einen Zusammenschluss mit der arabischen UASC über Wasser zu halten. Viele kleinere Reedereien und Schiffsfonds, die einige wenige Frachter besitzen, sind untergegangen. Mit teilweise existenzgefährdenden Folgen für die finanzierenden Banken.

Eine Millionenspritze, wie sie andere Bundesländer verabreichten, um ihre Hausbanken zu retten, werde in Bremen nicht nötig sein, hofft der rot-grüne Senat von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). Der Zwei-Städte-Staat hält über 41 Prozent der BLB. Mehrheitseigentümer ist die Norddeutsche Landesbank (NordLB) in Hannover. Bankboss Kaulvers hält die Verluste seiner BLB für „beherrschbar“.

Ein neuer Landesbankskandal sei das nicht, meint der Bremer Ökonom Rudolf Hickel. „Windige Spekulationsgeschäfte, Steueroasen, Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte waren und sind für die BLB absolute Tabus.“

Ein Blick in die Bilanz bestätigt, dass die BLB keine HSH Nordbank ist. Drei Viertel ist grundsolides Kundengeschäft. So finanziert die BLB vor allem Mittelständler in der Region, Sozialimmobilien und erneuerbare Energien. Selbst die 648 Schiffe, in denen die BLB engagiert ist, warfen im vergangenen Jahr noch einen kleinen Gewinn ab. Die Flotte ist breit gestreut und beispielsweise Tanker fahren durchaus Gewinne ein.

Unterm Strich sind die Probleme aber „bedrohlich“, meint Hickel. Am Mittwoch senkte die selbst nicht unumstrittene Ratingagentur Moody’s den Daumen: Um gleich vier Stufen wertete sie die Bonität des Finanzinstituts ab.

Der Druck auf die NordLB-Tochter nimmt zu. Am Zug sind jetzt die Eigentümer. Um die Verluste auszugleichen, benötigt die Mittelstandsbank voraussichtlich neues Eigenkapital. Das könnte die Mehrheitseigentümerin NordLB bereitstellen. In Bremen will man aber verhindern, zu einer reinen Zweigstelle der Niedersachsen zu werden. „Ohne das Recht auf eine souveräne Geschäftsführung zugunsten der hiesigen Wirt­schaft“, warnt Hickel.

Der Kapitalmarktexperte fordert daher, dass die kapitalstarke NordLB zwar Kapital zuführt, aber der Anteil des klammen Landes Bremen an der BLB nur auf 25 Prozent „verwässert“ werde. Dadurch könnte die Bank ihre Eigenständigkeit wahren und dem Stadtstaat bliebe ein Veto-Recht. Stellung nehmen will man dazu weder in Bremen noch in Hannover. Die Gespräche der Eigentümer über ein Rettungspaket laufen hinter verschlossenen Türen.

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