: Braunes Zünglein an der Waage
■ Ausländerinitiativen, Kultur und Minderheiten haben in Bremerhaven wenig Chancen: In den Ausschüssen schmettern CDU und AfB gemeinsam mit der DVU ihre Anliegen regelmäßig ab
Eigentlich waren sich auch zehn der elf Stadtverordneten im Bremerhavener Sozialausschuß völlig einig: Die Schwule Aktion Bremerhaven (SAB) sollte auch dieses Jahr wieder Unterstützung für die zweiwöchentliche Telefonberatung bekommen. Nur Fred Brauner aus der Fraktion der Deutschen Volks Union (DVU) war dagegen. Seine Stimme und politische Taktiererei der anderen Fraktionen sorgten dafür, daß das Geld für die Schwulen auf Eis liegt.
3.000 Mark sollte die SAB nach dem Willen von SPD und Grünen wieder kriegen. Klar, sagte auch Harry Nestler von der CDU, „die Leute brauchen doch ihr Geld.“ Einwand von CDU und AfB: Die Mietzuschüsse von 600 Mark könne man nicht bewilligen – das sei eine Grundsatzentscheidung. Grosso modo aber sprachen sich alle für Bremerhavens Schwule Aktion aus. Nur der Mann von der Deutschen Volks Union (DVU) nicht.
„Wie immer“, sagt der Grüne Michael Frost, „der sitzt im Ausschuß rum und kriegt den Mund nicht auf.“ Zweimal hob er aber die Hand – das reichte.
Denn in den Ausschüssen der Bremerhavener Stadtverordneten-Versammlung herrscht eine Patt-Situation, in der die DVU regelmäßig das Zünglein an der Waage spielt. In den Ausschüssen stehen oft vier CDUler mit einem Verbündeten von der AfB gegen vier Sozialdemokraten und einen Grünen.
Und dann gibt es eben noch die DVU. Ihre Stimme macht die Politik der Ausschüsse: Zuerst lehnte sie mit CDU und AfB im Falle der schwulen Telefonberatung den 3.000-Mark-Antrag von SPD und Grünen ab. Dann lehnten SPD und Grüne den um 600 Mark geminderten Vorschlag von CDU und AfB ab. Der DVUler Braune enthielt sich. Der Antrag war abgelehnt.
Erstmal gibt's jetzt also kein Geld für die Telefonberatung der SAB. Siegfried Tittmann, Fraktionsvorsitzender der DVU Bremerhaven: „Wir können nicht mehr so zügellos mit dem Geld umherschleudern, wie das bisher so war.“
Kein Einzelfall. Seit fast acht Jahren laufe in den Bremerhavener Ausschüssen Politik so ab, stöhnt der SPD-Mann Uwe Parpart. Alles, was Minderheiten oder Kultur beträfe, werde abgeschmettert, indem die DVU grundsätzlich mit der CDU und der AfB stimme: „Zu 99 Prozent läuft das so ab. Und wenn man in der Stadtverordnetenversammlung fragt: Könnt ihr das mit eurem demokratischen Gewissen vereinbaren, dann wird man inzwischen regelrecht ausgebuht.“
Ähnlich sieht das auch Bremerhavens Kulturdezernent Wolfgang Weiß: „Die DVU ist nicht präsent und stimmt einfach mit der CDU mit“. Und wenn in den Anträgen das Wort „Kultur“ auftauche, würden die Rechtsaußen sowieso dagegen stimmen. Beispiele für die übergreifende Koalition von CDU, AfB und DVU seien die Einführung von gymnasialen Abteilungen an den Schulzentren oder der Anbau für das Morgenstern-Museum gewesen. Aber selbst wenn die CDU „nach langen, langen Verhandlungen dann häufig doch eingeschwenkt“ sei – das Abstimmungsverhalten der DVU-Leute sei „die eigentliche Katastrophe“.
Paul Bödeker, Bremerhavens CDU-Fraktionsvorsitzender, meint, die Ausschüsse könnten beschließen was sie wollen. Entscheidend sei die Versammlung der 48 Stadtverordneten. Von denen stellen CDU und AfB gemeinsam 24. Mit diesen Stimmen haben man noch jeden Antrag durchbekommnen, sagt Bödecker, auch ohne Hilfe der DVU. ritz
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