Brandstiftung mit rassistischem Hintergrund?: Feuer und Todesdrohung
Brandstifter legen ein Feuer in einem hauptsächlich von türkischen Familien bewohnten Haus. Auf einer Wand zwei Hakenkreuze und die Parole: "Alle sterben".
Nach einem Anschlag auf ein vorwiegend von türkischen Familien bewohntes Haus im baden-württembergischen Backnang sucht die Polizei nach den Brandstiftern. Auch der Staatsschutz hat sich eingeschaltet. "Ein fremdenfeindlicher Hintergrund kann derzeit nicht ausgeschlossen werden", sagte ein Polizeisprecher.
Die Täter hatten in der Nacht auf Samstag einen Kinderwagen in dem von 30 bis 40 Menschen bewohnten Haus angezündet. Die Polizei vermutet, dass dabei Benzin oder ein anderer Brandbeschleuniger eingesetzt wurde. Eine Bewohnerin im Erdgeschoss bemerkte kurz vor 5 Uhr am Morgen Rauch, eilte in den Flur und sah den brennenden Kinderwagen. Ihr Bruder griff zum Feuerlöscher und konnte den Brand noch rechtzeitig löschen. Fünf Bewohner erlitten leichte Rauchvergiftungen.
Auf einer Wand im Hinterhof fanden die Ermittler zwei seitenverkehrte Hakenkreuze und die Parole: "Alle sterben". Davor befindet sich noch ein Wort, das allerdings schwer lesbar ist. Die Polizei interpretierte es zunächst als ein "Jetst", also ein "Jetzt" mit Schreibfehler. Laut Zeugen soll es sich um frische Schmierereien gehandelt haben. Die Polizei schließt deshalb einen Zusammenhang mit der Brandstiftung nicht aus. Sie bildete eine zehnköpfige Sonderkommission, der auch Vertreter des Landeskriminalamts angehören.
Der Rems-Murr-Kreis, zu dem die rund 35.000 Einwohner zählende Stadt Backnang gehört, gilt als rechtsextreme Hochburg in Baden-Württemberg. In kaum einem anderen Kreis wurden laut dem aktuellen Jahresbericht des Landeskriminalamts mehr politisch motivierte Straftaten begangen. In einer Studie der Universität Tübingen aus dem vergangenen Jahr heißt es: "Die politische Kultur in der Region ist durch eine rechtsgerichtete Stimmung geprägt."
Vor fünf Jahren gab es eine aufsehenerregende Serie rechtsextremer Straftaten in Backnang und Umgebung. Die Täter zündeten unter anderem ein türkisches Vereinsheim und die Imbissbude eines Einwanderers an und beschmierten ein Asylbewerberheim, Autos und Geschäfte mit rechtsextremen Parolen.
Sollte sich ein fremdenfeindlicher Hintergrund des Brandanschlags am Wochenende bestätigen, könnte das auch in der Türkei für neuen Wirbel sorgen. Im Februar hatte ein Brand mit neun Toten in Ludwigshafen die türkische Regierung wegen eines möglichen fremdenfeindlichen Hintergrunds alarmiert. Ministerpräsident Tayyip Erdogan hatte Ermittler nach Deutschland geschickt und sich besorgt über die Sicherheit der hier lebenden Türken gezeigt. Inzwischen halten die Ermittler eine Brandstiftung dort aber für äußerst unwahrscheinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Trumps Krieg gegen die Forschung
Byebye Wissenschaftsfreiheit
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten