„Brandsanierung“ der Roten Flora: Feuer und Flamme für die Flora
Wollte Eigentümer Klausmartin Kretschmer das autonome Zentrum durch Brandstiftung zerstören? Ex-Mitarbeiter erheben konkrete Vorwürfe.
HAMBURG taz | Wollte der Noch-Eigentümer der Roten Flora, Klausmartin Kretschmer, seine Pläne, das Flora-Grundstück zu versilbern, durch „warmen Abbruch“ befördern? Dieser ungeheuerliche Vorwurf steht jetzt im Raum. Wie die Hamburger Morgenpost am Dienstag berichtete, soll Kretschmer am 23. Dezember vergangenen Jahres zwei Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma die vertrauliche Frage gestellt haben, was es ihn „kosten würde, wenn das Ding brennt“.
Dieser Satz sei nicht im Scherz gefallen, betonen die Sicherheitsleute. „Wir haben es ganz klar so verstanden, dass Kretschmer wollte, dass wir die Rote Flora anzünden“, behaupten die beiden unisono. Entsprechende eidesstattliche Erklärungen haben sie abgegeben.
Nach kurzem Überlegen hätten sie abgewunken. „Wir sind keine Brandstifter, sowas machen wir nicht“, zitiert die Morgenpost einen der beiden Mitarbeiter der Firma Secret Risk Management. Danach sei über die „Brandsanierung“ nicht mehr gesprochen worden.
Die Sicherheitsmänner, die Kretschmer kurz zuvor angeheuert hatte, um bei der auch gegen seine Flora-Kommerzialisierungspläne gerichteten Demo am 21. Dezember den Objektschutz von zwei seiner anderen Immobilien zu übernehmen, wandten sich mit ihren Vorwürfen ausgerechnet an den Anwalt Andreas Beuth, der regelmäßig die AktivistInnen der Roten Flora juristisch vertritt. Beuth will derzeit jedoch keine Stellung zum Kontakt mit den Objektschützern nehmen.
Hamburg versucht derzeit auf dem Klageweg, die Rote Flora von Kretschmer zurückzubekommen.
Für umgerechnet 190.000 Euro hatte die Stadt Kretschmer die Immobilie 2001 verkauft, um sie aus dem politischen Schussfeld zu bekommen.
Der finanziell klamme Kretschmer versuchte, die Flora zweckzuentfremden und zu versilbern.
Ein Rückkaufangebot der Stadt in Höhe von 1,1 Millionen Euro lehnte er zuletzt ab.
Nach der taz vorliegenden Informationen war es aber nicht das erste Mal, dass Beuth in seinem Büro am Schulterblatt Besuch aus dem Umfeld Kretschmers erhielt. Bereits vor rund einem Jahr soll sich ein ehemaliger Mitarbeiter Kretschmers, der nach taz-Informationen in keiner Verbindung zu den Sicherheitsdienstlern steht, an Beuth gewandt haben, weil ihn sein Gewissen nach eigenem Bekunden zwickte. Der Besucher schilderte dem Anwalt, bei den Planspielen über die Zukunft des autonomen Stadtteilzentrums sei im engsten Kreis um Kretschmer ganz offen darüber gesprochen worden, das Problem Rote Flora eventuell durch Brandstiftung zu lösen.
Die Rotfloristen sind seitdem alarmiert. Bereits in einer Erklärung im vergangenen August heißt es, „seit einigen Wochen“ würden sich Informationen „verdichten“, die „auf eine aktuelle Bedrohung der Roten Flora hindeuten“. Es sei „eine Situation entstanden, in der wir einen zeitnahen Angriff auf das Projekt für möglich halten“.
Ganz konkret malten die Rotfloristen die Szenarien „einer überfallartigen Räumung durch private Sicherheitsdienste“ und einer „Brandsanierung“ an die Wand – über beide Alternativen soll Kretschmer in seinem Beraterkreis bereits zu diesem Zeitpunkt laut nachgedacht haben.
Kretschmers Berater dementiert
Während sich Kretschmer – gegen den ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der deshalb auf Erlöse aus seinen Immobilien dringend angewiesen ist – zu den Vorwürfen nicht äußert, dementiert sein Berater Gert Baer. „Natürlich hat Herr Kretschmer nie gesagt, dass er was abfackeln soll“, widerspricht Baer den Sicherheitsdienstlern. Baer bestätigt hingegen, dass es am 23. Dezember ein Treffen zwischen Kretschmer und mindestens einem der beiden Security-Männer gegeben habe. Man prüfe nun, so Kretschmers Sprachrohr zur taz, „gegen diese beiden Herren wegen falscher eidesstattlicher Aussage“ vorzugehen.
Ermittlungen fordert auch die Hamburger Linkspartei – gegen Kretschmer. „Die Anstiftung zu einem Brandanschlag in der Roten Flora ist ein Verbrechen, das den Tod von Menschen in Kauf nimmt“, sagt der Landessprecher der Partei, Bela Rogalla, und fordert: „Deshalb muss die Hamburger Staatsanwaltschaft jetzt sofort gegen Kretschmer strafrechtlich ermitteln.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“