Brandenburgs Wissenschaftsministerin: „Für bessere Arbeitsbedingungen braucht es mehr Geld“
An Brandenburgs Hochschulen soll es mehr Dauerstellen geben. Ministerin Manja Schüle (SPD) erklärt, warum für bessere Arbeitsbedingungen auch der Bund gefragt ist.

taz: Frau Schüle, einige Landesregierungen kürzen gerade an den Hochschulbudgets – allen voran Berlin. Sie in Brandenburg konnten das bisher vermeiden. Wie stark haben Sie dafür im Kabinett kämpfen müssen?
Manja Schüle: Das war eine Gemeinschaftsleistung. Wichtig ist, dass wir uns als Landesregierung auf einen 11-prozentigen Aufwuchs geeinigt haben. Darüber freue ich mich. Diese Mittel brauchen wir, wenn wir es ernst meinen mit guten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Wir haben uns in Brandenburg ja dazu entschieden, mit den Hochschulen über mehr Entfristungen zu verhandeln. Das muss auch bezahlt werden.
taz: Sie haben neue Personalkategorien geschaffen, um mehr Dauerstellen neben der Professur zu ermöglichen. Für die Hochschulen heißt das: zunehmend höhere Fixkosten. Übernehmen Sie die eins zu eins – oder warum machen die Unis da mit?
Schüle: Wir konnten uns vor allem deshalb verständigen, weil den Hochschulen selber klar ist: Wenn sie ein attraktiver Arbeitgeber sein möchten und Top-Leute nicht nur holen, sondern auch halten möchten, müssen sie attraktive Arbeitsbedingungen anbieten. Und attraktiv ist der Arbeitsplatz nicht, wenn ich mich von Einjahresvertrag zu Einjahresvertrag hangle und vielleicht als Frau einen Kinderwunsch habe und trotzdem mobil bleiben muss. Wie gesagt: Für bessere Arbeitsbedingungen braucht es mehr Geld. Da können wir die Bundesmittel aus dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre verwenden. Mit dem 11-elfprozentigen Aufwuchs steigt zudem ja auch die Grundfinanzierung.
49, ist seit 2019 Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Zuvor saß die Politikwissenschaftlerin für die SPD im Deutschen Bundestag (2017–19) und gehörte unter anderem dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung an.
taz: Mithilfe der neuen Personalkategorien wollen Sie den Anteil der entfristeten Stellen bis 2028 auf landesweit 40 Prozent heben – was passiert, wenn die Hochschulen diese Quote nicht erreichen? Gibt es Sanktionen?
Schüle: Sanktionen sind nicht vorgesehen – das würde auch den gesamten Verhandlungsprozess konterkarieren. Drei Jahre lang haben wir auf Augenhöhe mit den Hochschulen verhandelt und uns schließlich gemeinsam auf diese Quote geeinigt. Natürlich sind die Hochschulen in Brandenburg unterschiedlich weit. Deswegen haben wir mit jeder einen individuellen Vertrag geschlossen, was für sie bis 2028 eine realistische Zahl ist. Zudem haben wir gesetzlich vorgeschrieben, dass jede Hochschule ein eigenes Dauerstellenkonzept für die akademisch Beschäftigten erstellen und vorlegen muss.
taz: Vor Kurzem hat der Wissenschaftsrat attraktivere Arbeitsbedingungen neben der Professur gefordert und sich dabei auch für Department-Strukturen ausgesprochen. Wäre es nicht an der Zeit, die starken Hierarchien in den Lehrstühlen aufzugeben, von denen wir wissen, dass sie höchstproblematische Abhängigkeiten mit sich bringen?
Schüle: Nach meiner Lebenserfahrung sind wir in der Politik gut beraten, wenn wir nicht zu viele Vorschriften machen. In dem Fall wäre es aber ohnehin schwierig, es gelten ja die Wissenschaftsfreiheit und die Hochschulautonomie. Ich sehe meine Rolle eher als Ermöglichungsministerin, die gemeinsam mit allen Seiten – also auch mit den Hochschulbeschäftigten und den Gewerkschaften – auslotet, welche Schritte realistisch sind. Unser langer Dialogprozess hat übrigens dazu geführt, dass sich Hochschulen nun freiwillig auf den Weg machen und Department-Strukturen ausprobieren.
taz: Sie könnten den Prozess auch mit finanziellen Anreizen zusätzlich beschleunigen. Warum machen Sie das nicht?
Schüle: Wir haben den Hochschulen zugesichert, sie auf dem Weg zu attraktiveren Arbeitsbedingungen finanziell nicht alleine zu lassen. Ob eine Hochschule Department-Strukturen einführen möchte, muss sie aber selber entscheiden.
taz: Wissenschaftler:innen, die sich von einer befristeten Stelle zur nächsten hangeln, kritisieren seit Jahren das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das den Unis erlaubt, sie für insgesamt zwölf Jahre befristet anzustellen. Wie stehen Sie zu dieser umstrittenen Sonderregelung zum Arbeitsrecht?
Schüle: Es braucht dringend eine Reform. Die Bundesregierung hat ja versprochen, bis Mitte 2026 ihre Vorschläge für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorzulegen. Wir Länder können das nicht regeln, das ist Arbeitsrecht, das kann nur auf Ebene des Bundes erfolgen. Der Entwurf für diese Reform ist überfällig.
taz: Schon die Ampel hat eine Reform des WissZeitVG versprochen. Letztlich konnte sich die Koalition nicht darauf einigen, ab wann Nachwuchsforscher:innen eine verbindliche Aussicht auf eine unbefristete Stelle bekommen sollen. Gewerkschaften fordern: mit der Promotion. Was halten Sie für angemessen?
Schüle: Ich möchte die Debatte nicht verkomplizieren. Wir können gerne über die Reform sprechen, wenn die Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt hat. Ich kann nur den Bund auffordern, dies endlich zu tun. Wir warten schon sehr lange darauf. Im Übrigen freue ich mich, wenn der Bund uns Länder bei dieser Reform beteiligt. Das war in den vergangenen Jahren ja auch nicht immer der Fall.
taz: Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli in einem Urteil zum Berliner Hochschulgesetz klar gemacht, dass im Grunde nur der Bund verbindliche Regeln für Entfristungen an Hochschulen machen kann. Was heißt das für Ihre Arbeit?
Schüle: Das Urteil bestätigt mich in dem Weg, den wir in Brandenburg gegangen sind. Denn das Bundesverfassungsgericht erwähnt explizit die Möglichkeit der Länder, neue Personalkategorien an Hochschulen einzuführen, um den geänderten Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Die arbeitsrechtlichen Vorgaben, da ist das Urteil unzweideutig, können jedoch nur vom Bund kommen.
taz: Im Koalitionsvertrag versprechen CDU, CSU und SPD auch eine Mittelbau-Strategie. Wäre Brandenburg bereit, bei einem entsprechenden Bund-Länder-Programm mitzuzahlen, wenn dadurch mehr Dauerstellen finanziert würden?
Schüle: Das kommt darauf an, wie es ausgestaltet wäre. Ich gebe jetzt keine Blankochecks raus. Ich kann aber sagen, dass wir zwischen den Ländern in den letzten Jahren eine gute Zusammenarbeit hatten. Als wir uns kürzlich mit der Bundesforschungsministerin getroffen haben, haben wir auch auf die Versprechen im Koalitionsvertrag hingewiesen. Mein Eindruck war, dass auf ihrer Seite das Verständnis da ist, dass Bund und Länder gemeinsam handeln müssen, um den Arbeitsmarkt Wissenschaft attraktiver zu gestalten. Gerade versuchen wir, Forschende aus den USA zu gewinnen. Die werden aber nur kommen, wenn sie hier verlässliche Karrierewege vorfinden.
taz: Sie sind nach Hessen jetzt das zweite Bundesland, das ein Entfristungsquote für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen eingeführt hat. Bekommen Sie deshalb auch unwirsche Reaktionen von Amtskolleg:innen aus den übrigen Ländern?
Schüle: Nein. Ich empfinde unsere Zusammenarbeit als sehr kollegial und sachlich – übrigens unabhängig vom Parteibuch. Selbstverständlich sind die Länder an unterschiedlichen Punkten. Das empfinde ich aber auch als einen Vorteil. Bei unseren neuen Stellenkategorien haben wir uns beispielsweise an Bremen orientiert. Wir lassen uns gerne von anderen Bundesländern begeistern. Umgekehrt hoffen wir, dass Brandenburg auch die anderen Bundesländer begeistert, wenn es bei attraktiven Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft vorangeht.
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