Press-Schlag: Boykottierter Boykott
■ Protestfrei werden Norwegens Fußballer gegen Frankreich spielen
Tagelang hatte sich Norwegens Fußballnationalmannschaft weniger mit dem Training beschäftigt als mit der Frage, wie man das Länderspiel gegen Frankreich am Samstag in Oslo zu einem Protest gegen die angekündigten Atombombentests umfunktionieren könnte. Trainer Egil „Drillo“ Olsen hatte sich bereits einen Rüffel vom norwegischen Fußballverband eingehandelt, als er vergangene Woche eine Absage der Partie forderte, gestern warf das Team endgültig das Handtuch: Es werde keine „kollektive Protestaktion der Mannschaft“ geben.
Der Druck des nationalen Fußballverbandes, vor allem aber der FIFA hatte gewirkt. Mit „Konsequenzen“ hatten die Allerobersten des Fußballs gedroht. Und solche Konsequenzen, beispielsweise ein Ausschluß aus der für das Land bislang recht erfolgreich verlaufenen Qualifikationsrunde für die Europameisterschaft 1996 in England, wollte man doch lieber vermeiden. „Es muß dann eben beim persönlichen Boykott von Lars Bohinen bleiben. Das ist ja immerhin ein deutliches Signal“, verkündete Torhüter und Mannschaftskapitän Erik Thorstvedt.
Bohinen hatte erklärt, daß er am Samstag auf keinen Fall gegen die Franzosen stürmen werde. „Ich habe darüber seit einer Woche nachgedacht. Jetzt habe ich mich entschieden und bin sehr froh über meinen Beschluß. Ich habe keine Lust, gegen Frankreich Fußball zu spielen, solange man dort Atomsprengungen plant.“ Die norwegische Presse kommentierte die Entscheidung Bohinens sehr wohlwollend, zeigte „Verständnis für die Aktion“ (Dagbladet), begrüßte, „daß die Zeit vorbei ist, wo sich der Sport für unpolitisch hielt“ (VG), fürchtete aber auch, daß der Spieler wegen seiner Aktion Schwierigkeiten mit der FIFA und dem nationalen Verband bekommen könnte.
Als kleine Gegenleistung für den Protestverzicht haben Norwegens Fußballfunktionäre inzwischen jedoch den vorher verhängten Maulkorb für persönliche politische Stellungnahmen zur Atombombenfrage aufgehoben. Was Erik Thorstvedt sich nicht zweimal sagen ließ: „Ich finde, es wäre toll, wenn die Zuschauer das Länderspiel dazu benutzen würden, klar zu machen, was sie von den Tests halten“, wiegelt er jetzt unzensiert zu Protestaktionen auf. Und auch Verteidiger Henning Berg machte deutlich, wie positiv er zu solchen Demonstrationen stehen würde.
Die Ängstlichkeit des norwegischen Fußballverbandes hat vermutlich auch einen wesentlichen Grund in der Glashaussituation Norwegens wegen des umstrittenen Walfangs. Eine demonstrative Absage jetzt, so die Befürchtung, könne schnell dazu führen, daß bald nur noch Japan, Island und die Färöer mit Norwegen Fußball spielen wollen.
Mit zahlreichen Transparenten beim Länderspiel am Samstag rechnet Fußballverbands-Sicherheitschef Arnold Nielsen: „Und dagegen ist auch nichts zu sagen, solange diese nicht an gefährlichen Gegenständen befestigt sind.“ Das französische Fernsehen plant, das Länderspiel live zu übertragen. Noch! Reinhard Wolff
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