Bosnien und Herzegowina: Videos von Ratko Mladic aufgetaucht
Fernsehsender zeigt Aufnahmen des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers. Aus welchem Jahr die Bilder stammen, ist unklar. Belgrad zweifelt Echtheit an.
BERLIN taz Das Fernsehen der Föderation Bosnien und Herzegowina FTV hat in der Nacht zu Donnerstag Videoaufnahmen gesendet, auf denen der "Schlächter des Balkans", Exgeneral und Stabschef der bosnisch-serbischen Truppen von 1992 bis1996, Ratko Mladic, zu sehen ist. Mladic tanzt ausgelassen mit zwei Damen zu serbischer Volksmusik. Ein Teil der Videos sei erst 2008 an verschiedenen Orten in Bosnien und Serbien aufgenommen worden, berichtete der Sender FTV ohne Nennung seiner Quellen.
Eine Aufnahme zeigt den wegen Völkermords vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten Mladic an einem Ort, der einem Eisstadion ähnelt, mit zwei Frauen - offenbar Verwandte. Der Film sei womöglich von Mladic Sohn gemacht worden und "sehr neu, vielleicht aus dem vergangenen Winter", erklärte ein Sprecher von FTV.
In den Filmen wird ein Mladic gezeigt, der zwar dünner geworden ist, aber offenbar nicht an Krebs erkrankt ist, wie es in den letzten Jahren gelegentlich aus Belgrad hieß. Dem Sender liegen zudem Videos mit einer Gesamtlänge von einer Stunde vor, die zwischen 1997 und 2000 aufgenommen worden sein müssen. Sie zeigen Mladic bei der Hochzeit seines Sohns, die Enkel auf dem Arm und in Restaurants. Der für die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrecherstribunal in Den Haag zuständige Minister in Serbien, Rasim Ljajic, zweifelte die Echtheit der Aufnahmen an und erklärte, es sei "unmöglich", dass die Aufnahmen aus dem Jahr 2008 stammen könnten. Aber in Bezug auf dieses Statement ist Skepsis angebracht. Serbische Offizielle haben seit je her Informationen, Ratko Mladic halte sich in Belgrad auf, dementiert.
Dabei ist nun, vor allem nach der Aussage des ehemaligen Body Guards, Branislav Puhalo, erwiesen, dass Mladic sich von 1997 bis 2002 in Belgrad aufgehalten hat und 50 Sicherheitsleute für seine Sicherheit verantwortlich waren. Damals besuchte er Fußballspiele, ging in Restaurants und führte ein unbehelligtes Leben in dem Stadtteil Kosutnjak der serbischen Hauptstadt.
Informationen von Bürgern, sie hätten ihn bei diesen Gelegenheiten gesehen, wurden von den Behörden heruntergespielt. Die Sondereinheit zum Schutze Mladic wurde nach dem Sturz von Slobodan Milosevic Anfang 2002 aufgelöst. Seither soll sich Mladic nach unbestätigten Berichten öfters in der serbischen Teilrepublik in Bosnien und weiter in Belgrad aufgehalten haben. Geheimdienstkreise gingen jedoch bisher davon aus, Mladic sei krank und werde in einem Militärhospital behandelt.
Sollten die neuesten Videos von 2008 stammen, wäre erwiesen, dass Mladic sich bester Gesundheit erfreut. Belgrad steht vonseiten der EU unter Druck, Mladic an Den Haag auszuliefern, bevor weitere Verhandlungen über die EU-Integration beginnen können. Die Niederlande und Belgien haben sich bisher erfolgreich gegen die aus Berlin und Paris betriebene Aufweichung dieser Position gestellt. In den letzten Wochen waren Gerüchte gestreut worden, wonach Mladic sich nach Russland abgesetzt habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen