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Boris Palmer bei den Freien WählernCleveres Zweckbündnis

Benno Stieber
Kommentar von Benno Stieber

Boris Palmer dockt an die Wählervereinigung Freie Wähler an – die nichts mit Hubert Aiwanger zu tun hat. Profitieren dürften beide Seiten.

Palmers Auftritt in Tübingen am 4.12.2023 Foto: Bernd Weißbrod/dpa

E s kommt nicht so oft vor, dass die Besetzung einer Kreistagsliste von Fernsehkameras begleitet wird. Aber wenn es um Boris Palmer geht und vermeintlich um die Partei von Hubert Aiwanger, dann scheint das schon eine Nachricht zu sein.

Palmer und die Freien Wähler – da kommt zusammen, was zusammengehört, dürfte sicher mancher denken, der den Ex-Grünen mit seiner Polemik zu Flüchtlingsfragen und Coronamaßnahmen schon immer für einen schwäbische Ausgabe Hubert Aiwangers gehalten hat. Aber das ist ein Trugschluss. Die Freien Wähler in Baden-Württemberg haben mit der Partei des bayerischen Bierzeltgrantlers mit Flugblattvergangenheit nur den Namen gemeinsam.

Ansonsten besteht der Landesverband der Freien Wähler im Südwesten aus meist konservativ grundierten, aber dezentral organisierten Wählervereinigungen im ganzen Land, die sich allein um Kommunalpolitik kümmern. Damit sind sie seit Jahrzehnten sehr erfolgreich und stellen mit Abstand die meisten Gemeinderäte im Land, während Aiwangers Partei gleichen Namens in Baden-Württemberg bei der vergangenen Landtagswahl 2021 nur drei Prozent erreichte.

Palmer und die Freien Wähler im Tübinger Kreistag, das ist ein cleveres Zweckbündnis. Als Oberbürgermeister will er über Gebühren, Zuschüsse und Geflüchtetenzuweisungen des Kreises für seine Stadt mitentscheiden. Man kann in der Kandidatur auch einen weiteren Schritt Palmers sehen, sich nach seinem Austritt bei den Grünen ganz auf die Kommunalpolitik zu konzentrieren.

Pragmatisch betrachtet ist der Listenplatz bei den Freien Wählern für ihn der erfolgversprechendste Weg, in das Kreisparlament einzuziehen. Weder mit seiner progressiven Klimapolitik noch seinen verbalen Querschlägen stößt er dort auf größere Kritik. Für die Freien Wähler hingegen ist der Prominente ein Zugpferd. Schon freut sich der Tübinger Kreisvorsitzende, dass sie auf diese Weise nächstes Jahr wieder stärkste Fraktion werden könnten. Bisher waren das Palmers ehemalige Parteifreunde, die Grünen.

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Benno Stieber
taz-Korrespondent BaWü
Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.
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3 Kommentare

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  • Ach ja, (mal wieder) schwäbische Kommunalpolitik… wie es der östliche Landesteil des Südwest(sic!)staates immer wieder schafft, sich ins Gespräch zu bringen… hänaai bzw. hanoi, nur ins Geschreibe. Reicht es denn noch nicht, dass die BW-Landesschau mit ihren ‚Reportagen‘ kaum mal mehr als gefühlte 15 km aus Schtuegert rauskommt? Aber vielleicht ist das auch gar nicht das Schlechteste - so kann das übrige Bundesland in Ruhe seinen alltäglichen Besorgungen nachgehen, ohne von Reportern aus dem Mittleren Neckarraum mit spitzfindig-peinlichen Fragen belästigt zu werden…

  • Die Freien Wähler in BaWü sollten ernsthaft über einen anderen Namen nachdenken. Allein deshalb sind sie unwählbar, falls man sich nicht vorher ausführlich damit beschäftigt hat...

    • @nutzer:

      Mit Verlaub: Wenn man sich vor der Wahl mit einer relevanten Partei nicht mal so weit beschäftigt hat, das man realisiert, dass es sich um eine andere Partei gleichen Namens handelt, dann sollte man sich vor der Ausübung seines Wahlrechtes dringend besser weiterbilden. Das wäre ja das Erste, was man merkt, wenn man sich mit einer Partei beschäftigt.