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Boris BeckerOdyssee eines Tennisstars

Beziehungschaos, Vaterbuch, bescheuerter Werbespot: Kann man sich mit Boris Becker überhaupt noch blicken lassen? Klar doch - sind seine Eskapaden doch nur Flausen eines Suchenden.

Das Bobbele! Bild: dpa

So leicht mag es fallen, über ihn, nun ja, den Stab zu brechen. Boris Becker? Will man noch in dessen Nähe gesehen werden? Auf einem "Wetten dass?"-Sofa sitzen? Noch gesellschaftsfähig, dieser Mann? Die Nachrichten über ihn können ja verheerender kaum ausfallen. "Boris Becker trennte sich per SMS", heißt es bei Spiegel Online, einem Nachrichtendienst, der dies dem Nachrichtenmagazin Bunte entnahm. Per elektronischer Meldung via Mobiltelefon soll er seiner, wenn man so will, Beziehung namens Sharlely Kerssenberg den Laufpass gegeben haben, indem er sie ausdrücklich von seiner Party zum 40. Geburtstag auslud.

Vom Sockel gepurzelt

Das Bobbele! Der Tennisbaron. Der Wimbledonkracher. Der Mann, der einst mal ähnlichen Nimbus genoss wie Franz Beckenbauer, Michael Schumacher oder Stefanie Graf. Die sind, in den "People"-Kategorien von Medien wie Bild, Stern oder Bunte, A-Klasse. Becker nicht mehr. Wie konnte ihm das widerfahren? Dass er vom Sockel eines Helden selbst herabstieg auf das Parterre eines Gespöttlings.

Neulich erst wieder. Hat er doch glatt vergessen, dass nicht jede öffentliche Hervorbringung gülden schimmert, sondern verlacht wird. Da hatte Becker ein Buch publiziert, Titel: "Was Kinder stark macht". Darin Textliches der modernen, wenngleich konventionellen Sorte. Dass Kinder präsente Eltern brauchen, Väter inklusive, dass diese da sein müssen, nicht nur in den Ferien oder wenn es in den Terminplan passt. Was war das Gelächter indignierend. Becker, der Kammervögler von Wimbledon, der mit einer russischen Frau spontanen Sex hatte, ohne zu ahnen, dass diese schwanger werden könnte und dies zum Aufstieg nutzen könnte. Jedenfalls, so fielen die Kommentare zum unerwartetsten Männerbuch der Saison aus: Ausgerechnet der! Bindungsunlustig, rastlos, ein Liebesleben der ausgesprochen sehr seriellen monogamen Art. Der findet Vaterschaft super? Und ist doch nie so recht da für all seine drei Gören? Ein Witz. Dieser Becker, ein Witzchen.

Promotionell gesehen, aus der Perspektive von Firmen und Agenturen, die ihn als Star engagieren möchten, sind das starke Indizien einer weiter währenden Baisse des Werts eines Boris Becker, Wimbledonstar. Er hat viele Fehler gemacht, immer schon, und das auch in jüngster Zeit - nun beginnt er sogar vielen nicht nur auf die Nerven zu gehen, sondern einerlei zu werden. Und das missachtet das öffentliche Leiden mit ihm, früher, als seine Tennismatches zu Opern inszeniert wurden, mit Schweiß, Tränen und manchmal auch Blut.

Ihm gerecht zu werden, gelingt aber nur, wenn man eine moderne Sichtweise auf seine Biografie gelten lässt. Früher war man mit dem 21. Lebensjahr erwachsen, ab 40 großelterlich und ab 60 greisenhaft, siechend. Das kann nicht mehr wahr sein. Sozialwissenschaftler schlagen vor, die Jahre bis 15 als Kindheit zu nehmen, die bis 25 als Jugend - und die Zeitspanne zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr als Odyssee zu begreifen. So alt geworden, bis zum Alter von 65 Jahren, gilt das Dasein als erwachsen - und erst dann beginnt das Alter, sacht als Prozess des körperlichen Verfalls.

Forever young?

Insofern ist schon die Wahrnehmung der öffentlichen Figur "Boris Becker" als pseudojugendlich misslich. Er ist ein Suchender, ein Abbrechender, Verwerfender, ein Reisender. Die Rolle ist die des Odysseus, der auch erst nach langer, quälender Fahrt einen passenden Hafen findet - alle Tragödien einer solchen Selbstfindung eingeschlossen.

Was soll schon schlimm sein, einer Affäre per elektronischer Mobilfunknachricht das Ende zu erklären? Suchbewegungen können gründlichen Charakter haben, leben aber von der Möglichkeit des Flüchtigen.

Dass Becker am vorläufigen Ende seiner Odyssee sich als rücksichtsloser Charakter erweisen könnte - der sich gern herauskristallisiert bei Menschen, die sich grenzenlos fühlen -, legt sein aktueller Werbespot für eine Versicherungsgesellschaft nah.

Das Filmchen zeigt einen Golf spielenden Becker, der seinen Caddy mit dem Schläger wahrscheinlich aus Versehen niedermäht. Statt unmittelbar nach einem Arzt zu rufen, den am Boden Liegenden mit erster Hilfe zu versorgen, nimmt der Extennisspieler sein Telefon, ruft die "D.A.S. Rechtsauskunft" an und sagt: "Hier ist Boris Becker. Ich hab da mal ne Frage." Das sei britisch inspiriert, ganz vom schwarzen Humor?

Falsch. Dieses Filmchen zeigt einen Becker, für den das Nächstliegende nur der Schutz der eigenen Interessen ist, nicht die seiner Nächsten. Eine pampige SMS ist dagegen nur wenig elegant.

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