Boris Becker bei den Australian Open: Gut in Form trotz lädierter Hüfte
Boris Becker genießt sein Dasein als Trainer bei dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres. Mit Schützling Novak Djokovic läuft es prächtig.
MELBORNE taz | Er stand mit dem Rücken an die auch in der Dunkelheit noch warme Wand gelehnt, beantwortete Fragen, blickte auf die Traube deutscher Journalisten, die ihn umringte, und man konnte glauben, dass ihm die Szenerie gefiel. Irgendwie war es fast wie früher; Becker reloaded, mittendrin wie anno dazumal. Ein paar Minuten zuvor hatte Novak Djokovic das erste offizielle Turnierspiel unter seiner Leitung souverän in drei Sätzen gegen den Slowaken Lukas Lacko gewonnen, und für den Anfang schien alles in Ordnung zu sein.
Seit ein paar Tagen ist Becker wieder im Melbourne Park unterwegs, 17 Jahre nach seinem letzten Auftritt als Spieler. 1997 verlor er als Titelverteidiger in der ersten Runde gegen den aufstrebenden Spanier Carlos Moya, danach war er lange Zeit nicht mehr zurückgekehrt. Offenbar wurde er von vielen Spielern und Coaches mit Freude begrüßt und manche Dinge scheinen sich gar nicht verändert zu haben.
In der Umkleidekabine liegt sein Spind direkt neben dem seines alten Rivalen Ivan Lendl, der den Schotten Andy Murray betreut. „Wie stehen uns quasi jeden Tag auf den Füßen in Richtung Dusche“, sagt er. Die Nachricht, Djokovic habe sich für Boris Becker als neuen Coach entschieden, war in der Welt des Tennis wie ein Ass mit 240 km/h eingeschlagen. Wundert er sich darüber, dass so viele Leute über diesen Coup staunen? „Ach“, sagt er, „man wundert sich über mein Leben seit 46 Jahren. Mir ist das alles hier jedenfalls sehr vertraut.“
Und dann erzählte er ein wenig, wie es ist, wenn ein Spieler mit einem Meister früherer Tage in den Katakomben des Stadions erscheint. „Ohne was Großes zu sagen, hat man schon eine andere Position. Auf Trainingsplatz, beim Turnierdirektor, in der Umkleidekabine. Das ist normal, und das sind die geheimen Regeln der Umkleidekabine. Wenn einer kommt, der schon mal die Nummer eins der Welt war, macht man ein bisschen Platz. Da steht es gleich 15:0 für den Spieler.“
„Es geht alles in die richtige Richtung.“
Vielleicht hatte Djokovic genau das im Sinn, als er Becker im Herbst vergangenen Jahres das Angebot machte, jedenfalls sieht es so aus, als sei der Serbe nach wenigen Wochen der gemeinsamen Arbeit sehr zufrieden damit, wie sich die Beziehung entwickelte. „Ich hätte nicht erwartet, dass wir uns von Anfang an so gut verstehen würden“, meinte er nach dem planmäßigen Sieg in Runde eins. „Es geht alles in die richtige Richtung.“
Das mit dem Verstehen geht übrigens so: Djokovic hat Becker gebeten, Deutsch mit ihm zu sprechen, um alte Fähigkeiten aus der Schule und aus der Zeit in der Akademie von Niki Pilic in München aufzufrischen; nur wenn es kompliziert wird, weichen die Herren auf Englisch aus. Mit der neuen Perspektive von der Tribüne aus hat sich Becker schnell arrangiert; nur die Sitze, findet er, seinen für einen Menschen seiner Größe ein wenig eng.
Dafür ist der Raum auf dem Tennisplatz manchmal ein wenig zu groß. Djokovic sagt, er würde gern mal ein Spielchen gegen den Coach machen, aber das gehe ja wegen dessen lädierter Hüfte, der Knie und Sprunggelenke leider nicht. Becker findet, um eine Hälfte des Platzes abzudecken, reiche seine Verfassung sehr wohl, für mehr allerdings nicht. „Aber“, sagt er, „Novak soll erst mal in mein Alter kommen, dann reden wir weiter.“
Irgendwie war er ganz gut in Form – auch bei der Antwort auf die Frage, ob er als Coach eine ganz andere Art von Druck empfinde als früher als Spieler. So groß sei der Unterschied nicht, meinte er. Außerdem: „Wer mit Druck nicht umgehen kann, sollte im Bett bleiben. Und selbst da gibts Druck.“
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