Boom kostenloser Online-Spiele: Das Geschäft mit den virtuellen Gütern

Im Spiele-Sektor ist das Gratis-Zeitalter ausgebrochen. Titel wie Siedler, Star Trek oder die jüngsten Facebook-Hits gibt es umsonst. Die Hersteller kommen trotzdem auf ihre Kosten.

Siedler von Catan: Wer zahlt, kriegt Extra-Erz, Extra-Holz und Extra-Schafe. Bild: screenshot: www.playcatan.de/

KÖLN taz | Ein schnelleres Pferd, ein größeres Schwert, mehr Goldstücke, um sie in der Taverne auszugeben? Kein Problem. Gegen bare Münze verkaufen die Spielehersteller Extras, für die man in der virtuellen Welt stundenlang arbeiten müsste. „Casual gamer“, die mal eben für zehn Minuten in ein Spiel eintauchen wollen, bedienen sich massenhaft bei diesen Extras - um langwierige Prozeduren zu umgehen.

Das Geschäftsmodell heißt „Free to play“ und erobert immer neue Marktanteile. Zwar wird mit den klassischen PC- und Konsolenspielen noch deutlich mehr Geld umgesetzt, doch die Wachstumsrate bei den neuen Online-Spielen bewegt sich im zweistelligen Bereich.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) errechnete im Auftrag des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), dass in Deutschland 194 Millionen Euro für Abogebühren ausgegeben wurden, dazu kommen 73 Millionen Euro für die so genannten „In-Game-Käufe“. 3,2 Millionen Deutsche haben demnach im vergangenen Jahr virtuelle Güter gekauft. Der Zahlungsdienstleister Moneybookers veranschlagt die Umsätze mit virtuellen Gütern europaweit auf 723 Millionen Euro im Jahr 2010, davon 160 Millionen allein in Deutschland.

Das Sortiment dieser Güter reicht vom Zauberstab bis hin zu Extra-Leveln, die für nicht-zahlende Kunden verschlossen bleiben. Die neue Spielform spricht neue Zielgruppen an: In Deutschland sind demnach 51 Prozent der Nutzer von Browser-Spielen Frauen, bei klassischen Online-Spielen sind es 42 Prozent.

„Man geht immer seltener in den Laden und kauft sich ein Spiel für 60 Euro“, erklärt Moneybookers-Sprecher Julian Artopé. Stattdessen bemühen sich die Hersteller den Spieler zu einer dauerhaften Einnahmequelle zu machen. Wer Abonnements und virtuelles Gold verkauft, braucht Raubkopien nicht zu fürchten. Und die Spieler erweisen sich als konsumfreudig: So rechnete Moneybookers im Schnitt über 27 Euro pro Einkauf in den virtuellen Spielewelten ab. Zwar sind einzelne virtuelle Gegenstände schon für wenige Cent zu erhalten. Doch vorher müssen die Spieler oft erst ihren virtuellen Geldbeutel füllen. Hat man einmal 20 Euro in Facebook-Credits oder Warcraft-Gold eingetauscht, steht künftigen Impulskäufen nichts im Wege. Viele Hersteller wollen sogar auf Abonnement-Gebühren verzichten.

"Revolution der Spieleindustrie"

Die durch Werbung und In-Game-Verkäufe finanzierten Browser-Spiele sprechen zudem eine viel größere Zielgruppe an. So rief Spiele-Entwickler-Legende Richard Garriott auf der Gamescom eine regelrechte Revolution der Spieleindustrie aus.

Der Amerikaner, der in den Achtziger Jahren mit der „Ultima-Reihe“ berühmt wurde und damit ein Vermögen verdiente, sieht die Zeit der klassischen Multiplayer-Onlinespiele, bei denen man sich mit Millionen Fremder in einer Fantasiewelt misst, am Endpunkt. „Die Leute wollen lieber mit den Menschen spielen, mit denen sie auch im normalen Leben zu tun haben“, betonte Garriott in Köln. Für Spieleentwickler bietet das neue Herausforderungen, aber auch ungeahnte Chancen. „Wir haben da draußen 100 Millionen Spieler, die nie zuvor ein Rollenspiel gespielt haben“, sagte Garriott. Diese Neulinge will Garriott mit einer neuen Spielreihe in die Spielewelt einführen.

Dass "Free to play" nicht nur bei grafisch simpel gestalteten Spielen wie Farmville funktioniert, versucht Spiele-Entwickler Crytek zu beweisen. Auf der Gamescom kündigte die Firma an, ab kommenden Jahr auch den aufwändigen First-Person-Shoooter „Warface“ in Asien und auch in Europa zu starten. Bei dem kostenlosen Spiel können die Spieler neue Waffen und Munition mit virtuellem Geld kaufen. Wie im realen Leben wird dann nicht mehr allein die Geschicklichkeit entscheiden, wer die Kriegsspiele gewinnt, sondern auch wer den größeren Geldbeutel hat.

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