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Bonn oder Hannover?

■ SPD-Bundesparteitag: Für Schröder steht viel auf dem Spiel

Beim SPD-Bundesparteitag in dieser Woche in Hannover steht für Gastgeber Gerhard Schröder viel auf dem Spiel. Zwar ist die offene Kanzlerkandidatenfrage offiziell kein Thema der dreitägigen Beratungen. Doch diese gelten als wichtiger Stimmungstest für den niedersächsischen Regierungschef und seine bundespolitischen Ambitionen. Ein erstes Signal werden schon die Vorstandswahlen am Mittwoch setzen. Sollte Schröder wieder – wie vor zwei Jahren in Mannheim – im ersten Wahlgang durchfallen, wäre das für CDU/CSU und FDP zehn Monate vor der Bundestagswahl eine Steilvorlage.

In Mannheim erteilte die genervte Basis dem Niedersachsen die Quittung für die monatelang betriebene öffentliche Demontage von Parteichef Rudolf Scharping. Seitdem hat das „enfant terrible“der SPD dazugelernt. Schröder hat erkannt, daß es sein Ziel nur mit und nicht gegen die Partei erreichen kann. Deshalb zeigt er heute demonstrativ Loyalität, wo er früher den Heckenschützen spielte.

Das gilt vor allem für die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur. Kein Interviewer konnte Schröder in den vergangenen Monaten einen Satz entlocken, der irgendwie als das Anmelden eines Anspruches gegenüber dem Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine interpretierbar war. Lapidar wiederholte er Formeln wie: „Der Parteivorsitzende hat das erste Wort. Er wird einen Vorschlag machen, den ich akzeptieren werde.“Nur eines hat Schröder kurz vor dem Parteitag noch klargestellt: Entweder er wird Kanzler in Bonn oder er bleibt Regierungschef in Hannover. So gibt sich der Kandidatenanwärter äußerlich gelassen, sonnt sich in glänzenden Umfragewerten und bestimmt zudem ein ums andere Mal die politische Debatte im Lande. So wie mit seinen Vorstößen zur Kriminalitätsbekämpfung und zu den Renten. Doch Parteidisziplin um jeden Preis ist Schröders Sache nach wie vor nicht. Wo er es für nötig hält, pfeift er weiter auf die Parteilinie. Etwa beim Thema Ausbildungsplatzabgabe. Während die Genossen in Bonn für eine Umlage kämpfen, erklärt Schröder: „Die niedersächsische Landesregierung wird im Bundesrat keinem Antrag zustimmen, der eine bundesweite Umlage zum Ziel hat.“dpa

Schröder ist auf den „Job“im Kanzleramt weiter heiß. In der letzten Zeit hat erim wichtigen SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen versucht, bei der Basis Boden gutzumachen. Ob ihm das gelungen ist, wird sich jetzt zeigen.

dpa

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