Bond-Schauspieler Daniel Craig: In eine sanftere Zukunft
Schauspieler Daniel Craig hat sein James-Bond-Image abgelegt und sich in einem gesünderen Männerbild wiedergefunden. Eine schöne Entwicklung ist das.
V or ein paar Tagen war ich in Valencia, und kaum kam ich in der Stadt an, fuhr ein Linienbus an mir vorbei, auf dem großflächig die Werbung prangte: „Fahr Bus mit Benoit Blanc.“ Der Film „Glass Onion: A Knives Out Mystery“ ist gerade in aller Munde, auf Platz 10 der meistgeschauten Filme auf Netflix und liefert die Vorlage für zahlreiche Memes (in meinen Augen immer ein Zeichen für Erfolg).
Für mich ist das der perfekte Beweis, wie sehr die Zuschauer*innen Hollywoodfilme mit mittleren Budgets – nicht die vielen Mega-Blockbuster oder Arthausfilme – vermisst haben. Ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von „Glass Onion“ ist Protagonist Benoit Blanc. Mit ihm hat sich Daniel Craig, den, wie ich zu behaupten wage, bis noch vor wenigen Monaten die meisten Menschen ausschließlich mit James Bond assoziiert haben, innerhalb kürzester Zeit komplett rebrandet und die Antithese zu 007 kreiert.
Diese Transformation fing mit einem Anfang November veröffentlichten Werbeclip für Belvedere Vodka an, bei dem Oscarpreisträger Taika Waititi („Jojo Rabbit“) Regie führte und der TikTok im Sturm erobert hat. In ihm schaut Daniel Craig mit stoischer Miene in die Ferne, bis er sich plötzlich kurz zur Kamera wendet und schmunzelt – und dann in bester Christopher-Walken-Manier zu tanzen beginnt. Sein Gesicht sagt, dass er dich immer noch töten könnte, aber dazu schwingt er die Hüften, schnipst mit den Fingern, lässt Kleidung fallen. Diese Rolle, in der sich Craig einfindet, verschafft ihm eine neue Leichtigkeit, die er in seiner Rolle der leicht angekrusteten (sorry) Kultfigur des 20. Jahrhunderts nie hatte. Die Werbung ist seine Art der Welt mitzuteilen, dass er James Bond hinter sich gelassen hat.
Daniel Craigs Wiedergeburt ist mit „Glass Onion“ komplett. Er präsentiert sich mit lockeren, farbigen Klamotten, und was im ersten Teil bereits angedeutet wurde, wird hier bestätigt: Seine Figur Benoit Blanc ist schwul (und mit Hugh Grant verheiratet). All dies, das Spielerische, der lässige Stil, die Homosexualität, stehen der personifizierten weißen cishet Männlichkeit, die Bond eigentlich darstellt, klar entgegen. Es ist schön zu sehen, dass jemand, der scheinbar eindeutig einzuordnen war, sich mit seiner Ästhetik und Performance neu erfindet und ein gesünderes Männerbild verkörpert.
Überhaupt zeichnet sich da ein Trend ab, der über Craig hinausgeht: Ob Harry Styles mit seinem „weiblich“ konnotierten Style oder Stanley Tucci, der sich in sämtliche Herzen gekocht hat, die Zeit der Glorifizierung von Figuren wie James Bond neigt sich endlich dem Ende zu. Dafür spricht auch die Diskussion über die Nachfolge von Craig (ein Schwarzer Bond? Ein schwuler 007? Oder gar eine Frau?). Eine Entwicklung, die ich persönlich sehr begrüße. Lassen wir das Ideal eines Wodka-Martini-trinkenden Manns mit vielen jungen Frauen endlich im vergangenen Jahrhundert und blicken in eine sanftere Zukunft!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los