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Bomben für die Menschenrechte?

■ Ein Grüner und ein Ex-General / KITO und taz baten zum Streit

Das hatte es bei den bisherigen Diskussionen zum Balkan-Krieg noch nicht gegeben: Der ehemalige Top-General der NATO gegen den früheren Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion. Der eine eher gegen eine große militärische Intervention, der andere eher dafür. Das Vegesacker KITO war gut gefüllt, als am Donnerstag abend von KitoKontrovers und der taz ein erneuter Versuch gestartet wurde, über die verfahrene Situation im ehemaligen Jugoslawien zu diskutieren.

Der größte Teil der Friedensbewegung hat lange geschwiegen zum Krieg vor der eigenen Haustür und die wenigen Diskussionen waren trotz aller Ratlosigkeit von heftigen Abwehrreaktionen gegen jedes Nachdenken über Intervention geprägt. Dabei schwebte genau diese Frage mit jeder Eskalation sichtbarer im Raum. Am Donnerstag war sie erstmals in Bremen ins Zentrum der Debatte gerückt. Und viele waren gekommen, darunter allerdings wenige von der Politprominenz, die in derartigen Veranstaltungen in der Innenstadt dabei ist.

Wolfgang Altenburg, General a.D. und früherer Leiter des NATO-Militärausschusses, begann mit einem feurigen und vielbeklatschten Plädoyer gegen den großen militärischen Schlag - aber sehr wohl für begrenzte Intervention. „Die zentrale Frage ist: Würde der militärische Einsatz die Leiden der Bevölkerung vergrößern oder verringern?“ Und da war sich der General sicher: Mit einem größeren multinationalen Eingreifen würde nur eine weitere Konfliktpartei in den Krieg hineingezogen und ein zweites Vietnam entstehen. Eine hochgerüstete Armee könne den dann einsetzenden Partisanenkrieg auf keinen Fall gewinnen.

Altenburg schlug stattdessen eine Kombination aus politischem und gezielten militärischem Eingreifen vor. Es müsse endlich ernsthaft und für die serbischen Aggressoren glaubwürdig das Embargo durchgesetzt werden. Und das hieße militärisch abgesicherte Blockade. „Es muß doch wohl möglich sein, das gegenüber Griechenland und Rumänien durchzusetzen.“

An der Frage der Glaubwürdigkeit machte der Ex-General mit Wohnsitz in Bremen seine Kritik am Westen fest: „Ich hätte mir gewünscht, daß beim Beschuß von Dubrovnik UNO-Schiffe sich zwischen das Festland und die Kriegsschiffe der damals noch existierenden Bundesarmee gelegt hätten. So sind die Serben immer wieder zu der Einschätzung gekommen, der Westen ist ein Papiertiger.“ Nötig sei jetzt entschlossenes und gezieltes Eingreifen, und das schließe militärische Schläge mit ein. „Man weiß, von wo die Flugzeuge starten, die die Zivilbevölkerung bombardieren. Man kann in einem Schlag die Rollbahnen zerstören.“

Auch wenn sich die Vorstellungen von Udo Knapp gar nicht so sehr von denen Altenburgs unterschieden: Er redete provozierend, und genau so provoziert reagierten einige Zuhörer aus dem Auditorium. Dem General wurde das Ringen um die unblutigste Lösung sofort geglaubt, dem Grünen nicht. „Wendepolitiker“ wurde ihm entgegengehalten. „Du redest von Besetzung, als ob das was einfaches wäre. Ja weißt Du denn überhaupt, was Besetzung bedeutet“, hielt ihm ein Zuhörer entgegen.

Knapp hatte sich den ganzen Abend gegen den Vorwurf der Kriegstreiberei zu wehren. Anders als Altenburg argumentierte er viel prinzipieller. „Mir geht es um die Verteidigung der Menschenrechte. Diese Situation mitten in Europa hätten die meisten von uns vor Jahren nie akzeptiert. Wir haben Waffen für El Salvador gesammelt, und jetzt sagt keiner was.“ Ein Lernprozeß für den Friedensdemonstranten von einst: Der kalte Krieg habe sich angesichts der eskalierenden Konflikte als kalter Frieden entpuppt, als stabile politische Situation.

„Freiheitliche Gesellschaften, die sich nicht verteidigen, gehen unter, das ist eine historische Erfahrung.“ Gegenüber Eroberungskriegen müßte ein internationales Gewaltmonopol eingesetzt werden, sonst würden weltweit Aggressoren ermutigt. Und im Falle Jugoslawiens würde das bedeuten, daß die UNO wie beim Golfkrieg das Mandat zum militärischen Eingreifen vergibt, beispielsweise an die NATO. Die solle dann losschlagen, und zwar so schnell wie möglich: „Je länger das dauert, desto furchtbarer wird es hinterher.“

Viel Zustimmung für den General vom Publikum, viel Widerspruch für den Grünen. Eberhard Schulz, Rechtsanwalt, in einem erregten Beitrag: Warum Knapp denn nie die Intervention in Kurdistan gefordert habe und ob Intervention für Menschenrechte nicht westlicher Imperialismus sei. Ein anderer: „Es ist ja wohl bekannt, daß die Kroaten auch die Menschenrechte verletzen. Außerdem kämpfen dort Neonazis aus ganz Europa.“ Darauf ein Kroate mit bebender Stimme: „Gottseidank kämpfen die mit uns, sonst tut es ja keiner.“

Wenn an diesem Abend von Pazifismus die Rede war, dann wie von einem verlorenen Paradies, das nichts mehr mit der Realität gemein hat. Doch obwohl da zwei auf dem Podium saßen, die konkrete Vorschläge zu machen hatten und die meisten der gut hundert BesucherInnen schlauer nach hause gingen, als sie gekommen waren: Am Ende blieb doch Ratlosigkeit. „Die Blockade wird doch nie und nimmer durchgesetzt“, hielt Knapp Altenburg vor. „Für eine Intervention kriegen Sie keine Mehrheit“, konterte der. Beide mußten dem jeweils anderen doch beipflichten. Und zum Schluß blieb die eine Frage unbeantwortet, die ein Mann gestellt hatte: „Wenn wir schon den Krieg in Bosnien nicht mehr verhindern können, was könnte getan werden, damit es im Kosovo nicht weitergeht?“ Jochen Grabler

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