Boltzplätze: Breitensport schlägt Alarm
Anwohner klagen nicht nur gegen den Lärm von Bolz- und Spielplätzen, auch Sportanlagen von Vereinen sind häufig betroffen. Der Landessportbund fordert tolerantere Gesetze.
Elf Uhr vormittags in einer Kita, das Thermometer zeigt 30 Grad. Die Erzieherin stellt im Garten den Rasensprenger an. Juchzend springen 30 Nackedeis durch die Fontäne. Eine halbe Stunde später klingelt es an der Pforte. Zwei verlegene Polizisten stehen vor der Tür. Eine Anwohnerin, die sich durch die Geräusche gestört fühlte, hat auf der Wache angerufen. Die Beamten wechseln mit der Kitaleiterin eine paar freundliche Worte. Dann ziehen sie wieder ab. Die Erzieherin stellt den Rasensprenger aus. Es ist Zeit zum Essen und für den Mittagsschlaf. Zum Glück.
Das Ganze hat sich am Donnerstag im Wedding ereignet. Öffentlich geworden ist die Geschichte, weil die Kita dem Landessportbund (LSB) untersteht. "Der Vorfall ist symptomatisch für die Kinderfeindlichkeit in unserer Gesellschaft", sagt Heiner Brandi, Jugendreferent beim LSB. Anwohner fühlten sich zunehmend von spielenden Kindern und Sport treibenden Jugendlichen gestört, stellt Brandi mit Sorge fest. Nicht nur Spiel- und Bolzplätze sind betroffen (taz berichtete). Es wird auch immer mehr über den Lärm auf regulären Sportanlagen geklagt.
Nach Angaben von Peter Hahn, Sportstättenreferent beim LSB, haben 57 von 300 Sportanlagen, die von den Bezirken verwaltet werden, mit ernsthaften Beschwerden zu kämpfen. Ein Teil sei deswegen sogar von der Schließung bedroht. Andere müssten erhebliche Einschränkungen ihrer Nutzungszeiten in Kauf nehmen. Meist sei es gar nicht der Sportlärm selbst - von aufschlagenden Bällen oder den Stimmen auf dem Platz -, der die Anwohner aufbringe, so Hahns Beobachtung. Oftmals geht es um die Begleiterscheinungen. "Da findet einer in den Trainingszeiten keinen Parkplatz vor der Haustür oder fühlt sich durch Türenschlagen gestört."
Manche Lärmquellen ließen sich durch technische Hilfsmitteln reduzieren, etwa durch den Einbau schallgedämmter Böden oder Wände. "Aber Lärm wird subjektiv empfunden", weiß Hahn. Manchmal gehe es gar nicht um die gemessenen Dezibel. "Es gibt Leute, für die ist Flüstern schon Krach."
In einigen Fällen liegen die Klagen schon bei Gericht. Für die Sportvereine ist es dann in der Regel zu spät, weil die Richter dem Ruhebedürfnis der Anwohner ein größeres Gewicht beimessen als dem Interesse der Vereine. Der LSB hat deshalb bei den Vereinen die Devise ausgegeben, in Konfliktsituationen frühzeitig mit den Anwohnern Kontakt aufzunehmen und nach Lösungen zu suchen. Der Lärm-Flyer "Hinweise und Empfehlungen" ist unter www.lsb-berlin .net abrufbar. Bei Bedarf hält Hahn zudem Vorträge zu dem Thema in den Vereinen.
Auch an die Sportpolitiker auf Bundes und Landesebene will der LSB herantreten. "Für die Sportanlagen in Mittel- und Großstädten müssen großzügigere gesetzliche Regelungen geschaffen werden", sagt Hahn. Auf den Berliner Sportsenator Ehrhart Körting (SPD) kann der LSB schon mal zählen. Er verstehe die Rechtsprechung nicht, die den Anwohnern in dieser Frage recht gebe, plädierte Körting am Montag im taz-Interview für mehr Toleranz.
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