Bogensee-Areal in Brandenburg: Nazis, FDJ – und nun Bundespolizei?

Nichts als Kosten: Berlin will das Gelände am Bogensee loswerden. Nach großer Aufregung um Abrisspläne gibt es jetzt neue Ideen für eine Nutzung.

Das Bild zeigt die Anlage in Bogensee

Abriss oder Nachnutzung: Die Gebäude am Bogensee verfallen seit dem Jahr 2000 Foto: Patrick Pleul/dpa

BERLIN taz | Es tut sich was in der Diskussion um die vor sich hin verfallenden Gebäude am Bogensee: Das Land Berlin, dem das historische Gelände im brandenburgischen Landkreis Barnim gehört, will sich einer weiteren Entwicklung des Areals nicht mehr verschließen.

Im Gespräch ist offenbar die vorübergehende Nutzung als Übungsgelände durch die Bundespolizei. Außerdem soll sich die Gemeinde Wandlitz, auf deren Gebiet der Bogensee liegt, für eine darüber hinausgehende Entwicklung des Areals um Gelder des Bundes aus dem Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ bewerben können.

Der Bogensee nördlich von Berlin ist sicher einer der verwunschensten Seen Brandenburgs. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg kamen See und Waldgebiete in Besitz der Berliner Forsten. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels baute später hier seinen luxuriösen Landsitz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Gelände zunächst an die Rote Armee, dann an die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die am Bogensee eine Jugendhochschule errichtete. Der Potsdamer Historiker Jürgen Danyel nannte die daraufhin massiv ausgebaute Anlage einmal „die zweite Stalinallee mitten im Brandenburger Wald“. In den 1990er Jahren wurden die Gebäude erst noch für Bildungsprojekte genutzt, seit dem Jahr 2000 stehen sie indes leer und gammeln vor sich hin.

Vergleichsweise günstigste Option: Abriss

Unterhalten wird die Berliner Exklave in Brandenburg von der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Und für die BIM besteht Bogensee vor allem aus Problemen – und Zahlen: 250.000 Euro kostet die jährliche Bewirtschaftung. Alle paar Jahre prüft der Brandenburger Denkmalschutz die Anlagen und fordert Sicherungsarbeiten an der historischen Bausubstanz, was in Summe auch schon mit vier bis fünf Millionen Euro zu Buche geschlagen ist.

350 Millionen würde eine Instandsetzung der vielen Gebäude kosten, inklusive der Wiederherstellung von Elektroanschlüssen. Mit 45 Millionen Euro vergleichsweise günstig käme das Land weg bei einem Abriss des kompletten Ensembles.

Genau das hat Berlin dann auch zuletzt favorisiert: Komplettabriss mit anschließender Aufforstung. Das Land hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Konzepte von Unternehmen abgelehnt, die das Areal entwickeln wollten, etwa als Bildungs- oder Gesundheitsstandort. Nichts davon schien wirtschaftlich tragfähig.

Gleichzeitig war klar, dass das Areal nicht an private Investoren verkauft werden sollte, um zu verhindern, dass die einstige Goebbels-Villa nebst den anderen Gebäuden zu einem Wallfahrtsort für Neonazis wird.

Gemeinde Wandlitz bekommt letzte Chance

Nun heißt es von der BIM, der Aufsichtsrat habe am vergangenen Freitag beschlossen, der Gemeinde Wandlitz eine letzte Chance zur Entwicklung des Areals einzuräumen. Denn nicht zuletzt hier waren die Berliner Abrisspläne auf heftigen Widerstand gestoßen.

Die Gemeinde und der Landkreis Barnim, aber auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hatten ein Abrissmoratorium und letztlich die Erhaltung der „unbedingt schützenswerten“ Gebäude als Lern- und Begegnungsort gefordert. Gerade in einer Zeit zunehmender Bedrohung der Demokratie müssten die Häuser am Bogensee als „wichtige Zeitzeugen deutscher Geschichte“ erfahrbar bleiben, so die Stiftung.

Doch Abriss und Aufforstung sind mit der Entscheidung des Aufsichtsrats von Freitag keineswegs endgültig vom Tisch, betont eine Sprecherin der BIM gegenüber der taz: „Sollte keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive für das Areal gefunden werden, wurde gleichzeitig beschlossen, dass die BIM mögliche Schritte zur Umwandlung des Areals Bogensee in eine Aufforstungsfläche prüfen und vorbereiten soll.“ In diesem Kontext werde die BIM für den Berliner Doppelhaushalt 2026/2027 dann „Mittel für den Rückbau und für die Renaturierung anmelden“.

Der Aufsichtsrat will allerdings auch auf den Bund zugehen, um Bogensee einer Bundeseinrichtung als Zwischennutzung anzubieten – eben der Bundespolizei, wie es heißt. Die könnte drei Jahre lang vor Ort Übungen abhalten und dafür die Hunderttausenden Euro an laufenden Kosten übernehmen.

Einem Bericht des Tagesspiegels zufolge soll sich die Bundespolizei auch vorstellen können, das Areal dauerhaft für ihre Trainings zu nutzen. Das könne aber den Zustand der Gebäude weiter verschlechtern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.