Kommentar: Böse Buben?
■ Stadt kann Jugendliche nicht austreiben
Wer ist schuld daran, daß die Abendnachrichten am 3. Oktober nicht die Politiker, sondern die Steine werfenden Demonstranten gezeigt haben? Das Sielwallhaus ist schuld, sagt der Innensenator unter dem Druck der CDU und wirft die Frage der Schließung auf. Verfassungsschutz und Polizei sollen die Begründung liefern.
Niemand allerdings fragt die Jugendämter. Dort nämlich ist man froh um das Sielwallhaus. Froh, daß es in Zeiten zunehmender Cliquenbildung unter Jugendlichen auch eine Einrichtung gibt, die äußerst staatskritische Jugendliche anspricht – mit Seminaren über Atompolitk und Reisen ins Baskenland. Und natürlich auch Kursen, in denen man T-Shirts selbst bedrucken kann.
Vielleicht sollten PolitikerInnen sich dort mal selbst umsehen. Dort ist es nämlich weniger dreckig und chaotisch, als vielmehr karg und ärmlich. Und dort schreien nicht alle „Haut die Bullen platt wie Stullen“. Dort wird vielmehr heiß diskutiert, zum Beispiel über Sinn und Unsin vom Scheibeneinschmeißen.
Das Sielwallhaus ist ein offenes Haus, offen für alle. Da machen natürlich auch mal hirnrissige Ideen die Runde, da rufen natürlich auch mal einzelne zur Gewalt auf. Doch wer das Sielwallhaus schließt, wird die kritischen Jugendlichen nicht los. Die treffen sich dann nur verstreut und in kleinen Gruppen, unerreichbar für Sozialarbeit. Christine Holch
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