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Bodycams bei Polizei und FeuerwehrUngeliebte Spielzeuge

Eine unabhängige Untersuchung des Bodycam-Einsatzes bei Feuerwehr und Polizei kommt zu wenig schmeichelhaften Erkenntnissen für die Innenverwaltung.

Ob der Rettungsdienst will oder nicht: Geht es nach der Innensenatorin, könnte die Feuerwehr bald mit 900 Bodycams unterwegs sein Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Berlins Feuerwehrleute lehnen den von CDU und SPD forcierten Einsatz von Bodycams im alltäglichen Rettungsdienst mehrheitlich ab. Das ist das Ergebnis einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung zu den bisherigen Erfahrungen mit den Kameras, die vom Senat selbst in Auftrag gegeben wurde.

Seit Ende 2022 stehen dem Rettungsdienst der Feuerwehr 50 Bodycams zur Verfügung, 250 weitere Geräte sind bei der Polizei im Einsatz. Geht es nach dem Willen von Schwarz-Rot, soll das erst der Anfang sein. Nicht zuletzt Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) drängt darauf, die Zahl der Bodycams bei der Feuerwehr möglichst noch im kommenden Jahr auf 900 zu erhöhen, bei der Polizei sollen es dann 3.100 sein.

Die seit den bundesweit beachteten Angriffen auf Polizei und Feuerwehr in der Berliner Silvesternacht vor zwei Jahren immer wieder vorgetragene Argumentation Sprangers: Die Kameras seien „geeignete und erforderliche Einsatzmittel“. Schließlich, das wisse sie genau, diente die Technik neben der Beweissicherung bei Straftaten auch der Befriedung von brenzligen Situationen.

Tatsächlich kommt die bislang nur intern im Senat und im Abgeordnetenhaus zirkulierende Evaluation des Law and Society Institute der Humboldt-Universität vor allem mit Blick auf den bundesweit erstmaligen Einsatz von Bodycams bei der Feuerwehr zu einem komplett gegenteiligen Schluss.

Mindestens hinderlich, schlimmstenfalls kontraproduktiv

Der Einsatz von Bodycams im Rettungsdienst werde auch deshalb abgelehnt, weil er in der konkreten Hilfssituation mindestens hinderlich, im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv sei, heißt es in der Auswertung der Interviews mit rund 130 Feuerwehrleuten, die der taz vorliegt.

Schon die bloße Anwesenheit der Kameras könne demnach nicht nur zu „einem nachhaltigen Vertrauensverlust“ der Pa­ti­en­t:in­nen gegenüber der Institution Feuerwehr führen, die bei etwaigen Straftaten nun unnötigerweise als eine Art Hilfspolizei wahrgenommen werde. Auch „hinsichtlich einer deeskalierenden Wirkung“ sei größte Skepsis angebracht.

Vielmehr erhöhe eine Bodycam in „gewissen Ecken“ der Stadt das „Aggressionspotenzial“. Dann mache die Technik „alles noch schlimmer“, wird ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes in der Studie zitiert. Die Folge: Die Kameras werden „im ‚normalen‘ Einsatzalltag prinzipiell nicht kontinuierlich mitgeführt und eingesetzt“.

Die beiden Autorinnen der Studie empfehlen dem Senat dann auch, „den Einsatz der Bodycams beim Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr zu überdenken“. Eine „zielführende Verwendung“ der Technik sei hier kaum möglich.

„Allenfalls für besondere Einsatzlagen, bei denen es erfahrungsgemäß ein erhöhtes Risiko von Gewalt gegen Feuerwehrleute gibt, wie beispielsweise an Silvester, Neujahr oder am 1. Mai, könnte die Bodycam weiter Verwendung finden“, so ihr Fazit.

Eigenwillige Interpretation der Innenverwaltung

Die Innenverwaltung interpretiert die ihr auf 160 Seiten vorgelegten Befunde gleichwohl auf ihre Weise. So wird in einer kurz vor Weihnachten veröffentlichten Stellungnahme aus der Handlungsempfehlung der Wissenschaftlerinnen, den Einsatz der Bodycams bei der Feuerwehr weitgehend zu stoppen, der freundlich gemeinte Rat, ihn „weiter zu prüfen“.

Ohnehin konzentriert man sich im Haus von Innensenatorin Spranger darauf, den vermeintlichen Nutzen der Technikoffensive bestätigt zu sehen. Immerhin würden die ebenfalls befragten 150 Dienstkräfte der Polizei das neue Hilfsmittel „grundsätzlich positiv“ bewerten.

Selbst das ist nur in Teilen von der Untersuchung gedeckt. Wie die Autorinnen schrei­ben, erscheine bei der Polizei „eine gewaltreduzierende Wirkung“ der Bodycams zwar „durchaus realistisch“. Aber auch das sei stets von der konkreten Situation abhängig. Aggressive Personen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss etwa ließen sich von einer Kamera kaum beeindrucken.

Hinsichtlich des Polizeialltags schränkt die Studie deshalb ein, dass sich Bodycams als „wenig wirksames“ Mittel erweisen, sofern in den Einsatzgebieten „der fehlende Zugang zu Gesundheitsversorgung und Suchtberatung oder Wohnungslosigkeit konzentriert auftreten“.

Von Anfang an erhebliche Zweifel

Dass überhaupt eine Evaluation des Bodycam-Einsatzes durchgeführt wurde, geht noch auf die rot-grün-rote Vorgängerkoalition zurück. Grüne und Linke hatten dabei schon zu gemeinsamen Regierungszeiten erhebliche Zweifel an Sprangers Aufrüstungsstrategie.

Ursprünglich sollte daher auch erst die Evaluation abgewartet werden, bevor in dieser Hinsicht das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) geändert wird. Mit dem Ende der Koalition Anfang 2023 hatte sich auch diese Vereinbarung erledigt. Das ASOG wurde vor genau einem Jahr novelliert. Juristisch steht dem flächendeckenden „Ausrollen“ von Bodycams seither nichts mehr im Weg.

Der Innenexperte der Linksfraktion, Niklas Schrader, sieht sich durch den Untersuchungsbericht jetzt noch einmal bestätigt. Die Studie zeige vor allem eines, so Schrader zur taz: „Dass SPD und CDU die Evaluation nicht abgewartet und den Einsatz einfach ausgeweitet haben, war ein Fehler.“

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Bodycams bei der Polizei fände ich schon ganz praktisch, im Daueraufnahmemodus, ohne Möglichkeit, diese selbst abzuschalten, um Polizeigewalt zu dokumentieren, zu ahnden und somit nachhaltig einzudämmen.

  • Das überhaupt Feierwehr und Rettungsdienst Übergriffen ausgesetzt sind, ist einfach gaga.

    Solches Verhalten muss mit unmittelbaren Arrest geahndet werden. Anpöpeln und dann unmittelbar eine Woche einfahren…

    • @Andi S:

      Jedem roten Auto noch zwei Streifenhörnchen mitgeben?