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Blutiger Feierabend in Algier

■ Autobombe in der algerischen Hauptstadt zerfetzt mindestens 21 Menschen, in einem Dorf wurden 36 ermordet. Staatsführung macht wieder militante Islamisten verantwortlich. Doch Hinweise auf die Urheber gibt es nicht

Madrid/Algier (taz) – Es war in der ganzen Stadt zu hören: Am Sonntag abend gegen 20 Uhr explodierte eine Autobombe im Zentrum von Algier. Der Anschlag auf der Avenue du Mohamed Belouzidad im Zentrum der algerischen Hauptstadt forderte nach offiziellen Angaben 21 Menschenleben, 60 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Die algerische Führung macht die Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) für das Massaker verantwortlich – bekannt hat sich bisher niemand.

Das Auto war vor dem größten Kino des Stadtteils abgestellt. Zahlreiche Menschen warteten dort auf den Einlaß. Die Straße, eine der Hauptverkehrsadern, war stark belebt. Viele Spaziergänger waren gekommen, um im Fastenmonat Ramadan nach Sonnenuntergang eine der örtlichen Teestuben zu besuchen.

„Wir dachten, das ist das Ende der Welt“, beschrieb eine ältere Frau, die nur wenige Meter vom Kino entfernt wohnt, am Telefon die Explosion. Durch die Druckwelle seien alle Fenster zersplittert. Vom Balkon aus habe sich ihr ein Bild des Grauens geboten: Blut, abgerissene Gliedmaßen, Trümmer. An die offiziellen Angaben über Opfer glaube sie nicht. Es handele sich um eine der typischen Beschönigungen des Regimes, das nach Attentaten meist nur spärliche Informationen gebe.

So auch bei einem weiteren Attentat, das die offiziellen Stellen nur wenige Minuten vor der Explosion in Algier bekanntgaben, obwohl es fast 24 Stunden zuvor verübt wurde. In der Nacht zu Sonntag soll ein etwa 100 Mann starkes Kommando das Dorf Sidi Abdelaziz, 80 Kilometer südöstlich von Algier, überfallen und 36 Menschen, darunter auch Kinder, enthauptet haben. Die Region gehört zu den meistumkämpften Gebieten Algeriens. Militärs und GIA wechseln sich mit Strafexpeditionen gegen die Bevölkerung ab. Die beiden Attentate bilden den Höhepunkt einer der blutigsten Anschlagsserien seit dem Putsch vor fünf Jahren nach dem sich abzeichnenden Wahlsieg der Islamischen Heilsfront (FIS). Reiner Wandler

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