piwik no script img

Blutige Unruhen in KeniaProteste als Warnsignal

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Proteste sind gefährlich für Kenia und ungewöhnlich. Präsident Ruto ist kein klassischer Autokrat, sondern war einmal Hoffnungsträger.

Nairobi, Kenia, 25. Juni: Demonstranten knien nieder und heben die Hände, während die Polizei Tränengas gegen sie einsetzt Foto: Boniface Muthoni/SOPA images/ZUMA Press/dpa

D ie Massenproteste in Kenia und die blutige Reaktion der Staatsmacht darauf haben Ängste geweckt. Stürzt schon wieder ein vorgeblich stabiles afrikanisches Land in eine ausweglose Krise? Schließlich gab es 2024 in Afrika noch keinen Putsch – anders als in den fünf Jahren davor.

Solche Bedenken sind oberflächlich und verkennen die Dynamik der kenianischen Politik. Diese Protestbewegung ist nicht auf die spektakulären Bilder der Erstürmung des Parlaments zu reduzieren. Sie hat sich ansonsten bisher immer friedlich zu Wort gemeldet und alte ethnische Gräben überwunden. Umgekehrt sind für Kenias Staat schießwütige Soldaten zwar nicht untypisch, aber anders als viele Länder hat Kenias Militär keinerlei Putsch-Tradition und hält sich immer aus der Politik heraus, obwohl es in der Vergangenheit genug Gründe gegeben hätte, sich einzumischen.

Präsident William Ruto ist kein Autokrat. Er ist den Demonstranten in Nairobi, die Kenias verkrustetes und korruptes Herrschaftssystem verurteilen, ähnlicher als die meisten Präsidenten Afrikas. Wie sie entstammt er nicht der Elite, sondern steht für die Mischung aus Dynamik und Draufgängertum, mit der die meisten Menschen in Kenias brodelnden Städten ihr Über­leben organisieren. Zugleich aber führt er nun seit seiner Wahl 2022 ein korruptes System, das die Ambitionen der Menschen auf ein besseres Leben immer wieder enttäuscht und woran sich in den vergangenen zwei Jahren nichts geändert zu haben scheint.

In der Tragik von Rutos gespaltener poltischer Persönlichkeit steckt die wahre Gefahr, die Kenias neuer Protestbewegung innewohnt. Sie ist dabei, Ruto zu entlarven. Wenn sie blutig niedergeschlagen wird, könnte daraus eine radikale Abkehr vom System insgesamt entstehen, mit unabsehbaren Konsequenzen. Die Leute wählten Ruto einst in der Hoffnung, dass er versteht, wieso sie so frustriert sind. Was werden sie tun, wenn sie merken, dass er es nicht mehr verstehen will? Ost­afrika hat schon genug Länder, die von der Unfähigkeit ihrer eigenen Führungen ins Unglück gestürzt wurden.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!