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Bling-Bling in Idar-ObersteinGlamour aus der Provinz

Idar-Oberstein ist ein kleines Nest am Rande des Hunsrücks – und eine der bedeutendsten Edelsteinstätten der Welt. Wenn das Liz Taylor gewusst hätte.

Liz Taylor liebte ihre Diamanten und hätte an Idar-Oberstein ihre Freude gehabt. Bild: turbo1000 / photocase.com

Tiffany! Cartier! So beschwor einst Marilyn Monroe den Mythos kalt funkelnder Steine in ihrem Lied "Diamonds are a girls best friend". Doch wer nach Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz kommt, sieht zunächst nur Gestein in Form von schroffem Fels – und einen Trumm von Hochhaus, der sich so gar nicht in die Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern fügen will.

Im Boomjahr 1973 erbaut, war hier noch bis vor Kurzem die Diamant- und Edelsteinbörse Idar-Oberstein beherbergt. In den Glanzzeiten hatten hier die vielen ansässigen Edelsteinunternehmen ihre Büros. Es gab weitläufige Tresore und ein Hotel für die aus aller Welt anreisenden Geschäftspartner. Dann aber, in den Achtzigern, ging es bergab mit Idar-Oberstein. Die internationale Konkurrenz wuchs, der Tourismus ließ nach – man war nicht mehr gut aufgestellt, und das nach 500 Jahren Edelsteintradition. Das Hochhaus, es war doch eine Nummer zu groß.

Im Jahr 2011 ist die Börse in ein kleines Büro in der Industrie- und Handelskammer umgezogen. Der Bau hat nur bescheidene drei Etagen – aber der Geschäftsführer der Diamant- und Edelsteinbörse Idar-Oberstein e. V. heißt Jörg Lindemann und gibt sich so selbstbewusst, als säßen wir in der obersten Etage des Trump Towers in New York:

"Wir sind hier in dem europäischen Edelsteinzentrum. Antwerpen? Bangkok? Israel? Alles Monokulturen! Hier aber finden Sie: Laserkristalle, Diamantbohrer, das Gemmologische Institut, die Edelsteinmesse Intergem – und was glauben Sie denn, wo die Sachen für Tiffany und Cartier hergestellt werden? In Idar-Oberstein! Und das ist jetzt nicht mit dem Lautsprecher gesprochen!"

Bild: taz

Diese und andere Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 24./25./26. Dezember 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Zum Schweigen gebracht ist nun erst mal, wer bei Idar-Oberstein bislang eher an klobige Omaketten und Gründerzeitgemmen dachte. Trugbilder – auch die Börse ist eigentlich keine Börse, der Rechtsanwalt Jörg Lindemann arbeitet für einen Verein, der die Interessen der ansässigen Unternehmer vertritt. "Wir haben uns zum Beispiel dafür eingesetzt, dass Konfliktdiamanten auf ihre Unbedenklichkeit geprüft werden." Alle Steine, die nach Europa eingeführt werden, laufen über den Zoll von Idar-Oberstein – hier ist eines der beiden weltweit führenden Gemmologischen Institute beheimatet.

Das Wort Blutdiamanten hört Jörg Lindemann nicht gern – aber in dem Geschäft mit dem Glanz der Steine geht es um Rohstoffe aus der ganzen Welt. Einer Welt voller Diktaturen, Unrecht, Armut und Gewalt. Idar-Oberstein, dessen natürliche Edelsteinvorkommen seit dem 18. Jahrhundert erschöpft sind, muss sich in dieser Welt behaupten.

Und hat sich spezialisiert. High-Tech. Die Geschäfte laufen gut – aber jetzt droht eine neue Gefahr. "Der Chinese kauft alle Rohstoffe auf." Und wo findet man nun trotz alledem den Glanz in dieser Stadt? "Wenn Sie sich hier etwas ganz Tolles vorstellen, dann werden Sie es nicht finden. Der Glamour findet hinter verschlossenen Türen statt", sagt Lindemann.

Range Rover und Jaguar

Im Grau des Dezember wirkt die Stadt besonders matt. Die Häuser sind unspektakulär, doch die vor der Tür liegenden Carports überdachen puren Luxus: Range Rover parken dort und Mercedes der gehobenen Preisklasse – die leeren Flaschen bringen graumelierte Herren hier im Jaguar zum Container.

Die Karosserie des Mercedes, der vor dem mittelständischen Betrieb Groh & Ripp parkt, wirkt geschliffen wie ein Smaragd, an der Front funkeln LED-Leuchten wie Diamanten. Die Kundschaft der Idar-Obersteiner und der von Mercedes sitzt in Russland und in Middle East, sie mag es opulent – Nüchternheit ist nur für Menschen interessant, die schon lange gesättigt sind.

Sandra Lange ist eine Tochter des Hauses, Groh & Ripp ist ein Familienbetrieb mit vierzig Angestellten. "Unser Markt, das ist die Nische", erklärt sie. Die Firma versteht sich als Zulieferer, arbeitet für die ganz Großen im Schmuckgeschäft, auch für die Haute Horologerie.

Ringe und Uhren, die einen großen Namen tragen und in großen Städten die Schaufenster schmücken, verdanken ihren Glanz der Provinz. "Die Namen kann ich Ihnen aber nicht sagen", erklärt Sandra Lange, die Branche legt viel Wert auf Verschwiegenheit.

Energisch schreitet sie voran in das Allerheiligste: Im Keller werden die rohen Steine hinter schweren Gitterstäben gelagert. Bergkristall, Tigerauge, rosa Opal, Achat, Rubin! Oder auch: Geröllhalde. Steinhaufen. Baumarkt. Erst als Sandra Lange auf einen der herumliegenden Steine spuckt und ein wenig auf der Oberfläche reibt, leuchtet er plötzlich wunderbar rot.

"In Idar-Oberstein sind alle steinreich", sagt sie lachend. Und meint damit, dass die meisten Firmen über große Rohstofflager verfügen – sie zu besorgen, ist eine Kunst für sich und bedarf weitreichender Kontakte. "Schon als Kind war ich mit auf Reisen, und viele unserer Geschäftspartner sind längst Freunde."

Den Glanz bekommen die stumpfen Steine aus dem Keller erst durch Schliff und Politur. Eine Arbeit, die ein Stockwerk höher von Männern in gebückter Haltung an kleinen Wannen verrichtet wird, in deren Mitte sich ein Schleifstein dreht. Eine Millimeterarbeit, die längst auch von computergesteuerten Präzisionsmaschinen geleistet wird. Sandra Lange zeigt das alles nüchtern, als würden hier Muffen und Schrauben hergestellt – das Firmengebäude wirkt auch so. Diskret.

400 Karat – das ist Glanz

Doch im Showroom von Groh & Ribb leuchten ihre Augen dann doch buntsteinblau: "Sehen Sie mal hier, das ist grüner Granat, das mandariner. Und hier: Steine mit solch schönen Einschlüssen, die werden nicht facettiert, sondern bloß geschliffen. Diese beiden Steine hier, die haben einen Wert im sechsstelligen Bereich. Und dieser Aquamarin hat 400 Karat. Das ist Glanz!"

Liz Taylor, einst größte Botschafterin des Edelsteins, hätte ihre Freude an diesem Trumm gehabt. Der Showroom leuchtet und glitzert in allen Farben des Regenbogens – geschliffene, polierte Oberflächen, die das Licht reflektieren.

Ein Funkeln im vergänglichen Auge des Betrachters, das von Steinen herrührt, die von der Ewigkeit des Weltalls künden. Doch noch sind diese Preziosen in der leicht vom örtlichen Dialekt facettierten Sprache Sandra Langes nichts als "Halbprodukte".

Stein, das ist das, was man daraus macht. Man kann ihn schleifen und bearbeiten – oder in einen Krug mit Wasser legen und auf seine heilende Wirkung hoffen. Bei der Eröffnung von Peter Linds neuem Geschäftshaus wird "Vitajuwel" gereicht, Edelsteinwasser.

Lind ist Großhändler, hat eine Schleifwerkstatt – aber er und seine Frau Petra bieten auch Steinheilkunde-Seminare an, verkaufen magische "Moqui Marples". Petra Lind malt sogar Bilder mit Hilfe von zerkleinerten Steinen. Die beiden wirken nicht so, als hätten sie Angst vor der Konkurrenz aus China. Sie interessieren sich eher für Fairen Handel – auch mit Steinen. "Es ist wie mit dem Essen, man muss die Menschen erst dafür sensibilisieren", sagt Petra Lind.

Liz Taylors Augen

Die Linds haben auch Annette Fuhr eingeladen. Sie ist Leiterin des Deutschen Edelsteinmuseums, wacht über die Vergangenheit der Stadt – und macht sich Sorgen um die Zukunft von Idar-Oberstein. Im Kuratorium des Museums sind alle über fünfzig. Die Jugend fehlt, auch in der Stadt allgemein.

Stolz zeigt Annette Fuhr das Museum – es ist nicht mehr in der Börse, sondern in einer Gründerzeitvilla untergebracht. "Es gibt hier so viele interessante Geschichten", sagt sie. "Sehen Sie mal, dieser Stein, wie wundervoll blau der ist – ein Tansanit!"

Und der hat wirklich Glamour: Als der Stein gefunden wurde, konnte man ihn nicht bestimmen, daher wurde er nach Idar-Oberstein geschickt. Hier gab man dem Stein den Namen Tansanit – und wenig später brachte Tiffany den Stein ganz groß raus. Mit Liz Taylor als Testimonial. Der Tansanit hat exakt die Farbe ihrer legendär blauen Augen.

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5 Kommentare

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  • M
    Marco

    Ich habe mir auch die Kommentare der TAZ-Leser durchgelesen. Und muss sagen die meisten treffen den Nagel auf den Kopf. Nur der Kommentar von Herrn Bohnsack kann ich nicht zustimmen. Ok. Es stimmt, das die Frau Bundeskanzlerin Schmuck aus meiner Geburtsstadt trägt. Ja, es stimmt Bruce Willis kam in Idar-Oberstein zur Welt. Ja, hier wird Regionalliga Fußball gespielt. Ja,Idar-Oberstein ist die Schmuckhauptstadt Europas. Aber was nutzt das?

     

    Was nutzt das wenn im Landkreis Birkenfeld (zu dem Idar-Oberstein gehört) die höchste Zahl an Unternehmens-Pleiten im Land Rheinland-Pfalz hat? Was nutzt mir das wenn ich in meiner Geburtsstadt keine Arbeit finde? NICHTS

     

    Und Pialettendiva muss ich auch zustimmen. Die Schleifer und Edelsteinhändler verhinderten immer wieder Industrieansiedlung. Und das in großem Stil. Sogar große Firmen werden verjagt und suchen sich andere Standorte.

  • BB
    Bernhard Bohnsack

    Ich habe jetz einige Kommentare gelesen, auf den ersten Blick und oberflächlich betrachtet scheint einiges davon zu stimmen. Dennoch ist Idar-Oberstein die Edelsteinmetropole Europas, bielleicht nicht in Größeaber in Qualität und Exklusivität. Nicht umsonst trägt die deutsche Bundeskanzlerin Schmuck aus Idar-Oberstein. Die negativen Beiträge ? Da kann ich nur sagen, diese Leute sind selbst die Hauptursache für den vermeintlich angesagten Ruf der Stadt. Wo bleibt der Glaube, die Zuversicht, ich sage wer seine Heimat so defätistisch darstellt ist ein heimatloser Geselle er versündigt sich an der Stadt. Ich kann jedem der sich mit edlem Schmuck und edlen Steinen beschäftigt nur empfehlen sich in der Region umzuschauen. Schmuck von höchster präzision und edler Güte kommt aus Idar-Oberstein.

    Ein Besuch des deutschen Edelsteinmuseums wird jeden Fachmann und jeden Edelsteinliebhaber von der Qualität der in der Region hergestellten Präziosen überzeugen. Wer in diese Stadt investiert gehört nicht zu den Loosern sondern ist Winner of the Future. Wie kann man diese Superlative beweisen? Ganz einfach man besucht diese Stadt, schaut auf die Möglichkeiten die in der Schmuckbranche gegeben sind, entwickelt ein durchdachtes Konzept und bedient sich des Kunsthandwerks "Edelstein und Schmuck" >Billig gehört bestimmt nicht zu den Adjektiven der Stadt< Wer hier Geschäfte machen will und investiert weiß das Qualität ihren Preis hat, das ist die Stärke von Idar-Oberstein. Keine Billige Massenware sondern Schmuck vom allerfeinsten made in Idar-Oberstein.

  • MS
    Media Service Berlin

    Leben möchte ich in Idar-Oberstein auch nicht mehr, dennoch freut mich jeder positive Artikel über die Stadt, in der meine Familie wohnt.

    Hätten wir einen Bürgermeister wie St. Wendel ihn hat, dann würde Michael Mronz unter den 1,8 Kilometern B41 die Weltmeisterschaften im Hallenkanu austragen.Und Guido hätte wieder seine "18". Gruss aus Berlin!

  • P
    pialettendiva

    die stadt selber wirkt nicht besonder einladend, sie verarmt zusehends da die schleifer bis vor 30 jahren erfolgreich neuen arbeitsplätze verhinderten. heute sind mehr und mehr geschäfte von pakistanischen, indischen, afganischen familiendynastien übernommen....ohne wertschöpfung für I.-Oberstein....die Stadt stirbt und einzelne zeigen ihren reichtum nur pietätvoll in hinterzimmern....

     

    es wäre ´ne menge potenzial für steuern zu erheben um die stadt wieder zum leben zu erwecken, stattdessen fliegt man lieber im privatejet nach sylt, cannes, st. moritz.....und damit´s schneller geht, baut der steuerzahler im auftrag der cdu die hunsrückspange, damit die geldgeilen 5 min. schneller zum hahn kommen.

  • P
    Patrik

    Ich wohne in der sterbenden Stadt Idar-Oberstein. Abwanderung, Verfall, Armut und Arbeitslosigkeit prägen das Stadtbild. Leerstände wohin das Auge schaut, perspektivlose Jugendliche meinen nichts mehr verlieren zu können. Glamour? Wohl eher ein verfallendes Touristen Dorf für Senioren. Der Fluss Nahe fließt direkt durch Oberstein, sehen kann man aber nur die B41 die über den Fluss gebaut wurde. Vielleicht kommt mal ein ehrlicher Artikel der auf die Misstände aufmerksam macht...