piwik no script img

Blau im Gesicht

Der Rowohlt Verlag gab im Literaturhaus eine Pressekonferenz mit Paul Auster

Um die Welt noch einmal in die Tasche zu stecken, hat rororo zu seinem 50. Geburtstag keine Kosten und Mühen gescheut. Sicher, es hätte auch etwas kleiner ausfallen können, es hätten auch Elke Heidenreich oder Rolf Hochhuth sein können. Doch ein halbes Jahrhundert will schon gebührend gefeiert sein, und so holte man sich gleich den berühmten Onkel aus Amerika.

Paul Auster, der am meisten gestohlene Autor in New Yorker Buchläden, wirkte übermüdet. Der Jetlag stand dem smarten Amerikaner noch im Gesicht geschrieben, als er am Dienstagmorgen zur Pressekonferenz im Literaturhaus in der Fasanenstraße erschien. In legerem Outfit und mit den bekannten hellgrauen Strähnchen im Haar zeigte er den gut fünfundzwanzig Journalisten genau jenes Bild, auf das die schussbereiten Kameras gewartet hatten: den linksliberalen New Yorker Intellektuellen, der als passende Requisite in jeden Woody-Allen-Film hineingestellt werden könnte.

Geduldig lauschte der berühmte Geburtstagsgast den Fragen der Journalisten, die sich schnell in einen sophisticated anmutenden Plauderton hineingeredet hatten. Ob die Kaffeeklatschauskünfte für die Boulevardpresse (sind sie von Armani, oder sind sie es nicht – die Kleider, die er am Leibe trägt?) oder die üblichen Fragen der Literaturwissenschaft – Paul Auster kämpfte mit der Asche seiner Zigarillos und gab mit fester und verrauchter Stimme Auskunft.

Selbst die Lebenshilfetipps für Literaturgroupies haben an diesem sonnigen Morgen nicht fehlen dürfen: Wie gehen sie mit Erfolg um? Was tut man gegen Selbstzweifel? In diesen Momenten wirkte Auster wie ein weiser alter Mann.

In kleinen Nebensätzen aber konnte man dann doch noch interessantere Dinge in Erfahrung bringen. Angesprochen auf den Ort, der ihn im Berlin am meisten gefalle, zögerte er zunächst etwas und gab dann eine Antwort, die einen jeden Verlagslektor nachdenklich stimmen müsste. Sein Lieblingsort in der neuen Hauptstadt ist nämlich nicht das Verlagshaus von Rowohlt Berlin an der Neuen Promenade oder die Akademie der Künste, wo Auster am Abend noch eine Lesung hielt, vielmehr sei es der kleine Dorotheenstädtische Friedhof an der Chausseestraße. Natürlich, als gefeierter Schriftsteller und Zugpferd eines renommierten Verlages verweilt man gerne unter Gleichen, doch ob der angeschlagene Rowohlt Verlag die literarische Zukunft auf einem Friedhof suchen sollte, diese Frage wurde im Literaturhaus leider nicht gestellt. RALF HANSELLE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen