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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Auswärtige raus! Nicht erwünscht. Basta. Es sei denn, wir holten uns ein Sonderbillett, füllten ein ellenlanges Formular aus und ließen uns einkleiden. Jackett und Selbstbinder waren Pflicht. In der Kleiderkammer standen zur Auswahl: mausgraue oder pfaffenschwarze Joppen sowie postbeamtenblaue Schlipse. Dann durften wir hinein, ins Hl. Parlament zu Kapstadt. Wir saßen in einer bay, einem Mahagoniholzabteil auf der Galerie, acht ausländische Korrespondenten, mehr waren nicht zugelassen. Wozu mußte die Welt auch wissen, welche feinen Apartheidgesetze die Abgeordneten wieder beschlossen? Zeitungen mitnehmen: untersagt. Notizen machen: verboten. Nur stumm dasitzen, horchen und schauen, das durften wir.

So war das vor der Wende. Und heute? Auswärtige raus. Nicht erwünscht. Basta. Da muß man schon Capetonian sein. Oder zumindest in Kapstaad residieren. Oder einen Spezi haben, der einen hineinschleust ins Tuyn Huys, wo der Präsident zum Cocktail bittet. Den Spezi haben wir, aber weder Fliege noch Selbstbinder. Wir leihen uns flugs einen grünen Kragenpropeller. Der Spezi spricht eindringlich mit dem Pressechef. Nach ein paar Zitterminuten finden wir uns zwischen Fayancen, Gobelins, Historiengemälden und victorianischem Prunk wieder.

Da steht sie, die neue Regierung. Links die weißen Minister (lauter alte Bekannte), rechts die schwarzen Kabinettsmitglieder, dazwischen die farbigen Würdenträger. Alles muß seine Ordnung haben im neuen Südafrika.

Man schnabuliert am Büfett. Man schlürft Kap-Riesling. Man parliert. Frederik de Klerk (regierungsblauer Anzug, lachsrote Krawatte) raucht Benson & Hedges und hält Vorträge. Gut drauf, der Mann. Aus der Regierung der Nationalen Einheit aussteigen? Humbug! Sagt er und nimmt einen gewaltigen Lungenzug. Chief Mangosuthu Buthelezi (regierungsblauer Zweireiher, puppenrosa Krawatte) steht momentan allein im Saal herum. Schnell ran an den Häuptling. Und wie, Mr. Minister, gefällt‘s Ihnen denn in der neuen Regierung? Na ja, nuschelt er, stützt seinen Kopf in die Linke und grinst, ist nicht so einfach. In der Opposition sein, das wär' schöner. Aber er ist halt nun mal Innenminister...

Da kommt der Chef des Chiefs herein. Komisch, wie der heute wieder angezogen ist. Nee, er trägt keines der Tropenhemden, die er aus der Karibik mitgebracht hat, keinen Anzug, keinen Selbstbinder. Sondern einen Pulli, tannengrün mit schwarzem Muster drauf und so lapprig, als hätte er ihn bei Pick n'Pay im Schlußverkauf erstanden. Gestreßt sieht er aus. Die Politik im Akkord. Die Augenoperation. Der Problemdruck. Alle Miseren soll er lösen. In Kapstadt, in Südafrika und auf dem ganzen schwarzen Kontinent. Momentan bereitet ihm die Jugend in den Townships Kummer. Er erzählt, wie er heute mit Michael Jackson telefoniert hat. Der sollte mal hier aufspielen. Farbig, weltberühmt, reinstes Opium für die unruhigen kids.

Bald verzieht er sich wieder. Er muß früh raus. Wir schauen ihm nach: tannengrüner Pulli, schwarzes Muster. Nelson Mandela, der Kleiderordnungsbrecher. Zurück bleiben die Minister und wir Zeitungsmenschen. Alle im Anzug, alle mit Schlips oder Fliege. Wie Konfirmanden. Wie früher.

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