Black Metal und Islam: Die Hautfarbe des Teufels

Eine Multimedia-Installation erkundet Begegnungen zwischen Black Metal und Islam. Initiiert wurde sie von dem Berliner Musiker Volkan Türeli.

Auf einem schwarzweißen Foto wird ein Schlagzeug im Wald aufgebaut

Der Schlagzeuger Jan Slak von Ottoman Torture im Wald Foto: Saki Tagami

Ottoman Torture – ein wenig subtiler Name für eine Band, die Metal-Musik mit türkischem Instrumentarium verbindet. Aber: Subtilität ist schließlich auch nicht die Kernkompetenz von Black Metal, einer Musik, die auf Schockeffekte und grimmige Maskerade am Rande von Camp setzt. Volkan Türeli hat sie gegründet – als integralen Bestandteil einer Auseinandersetzung mit der Verbindung von Metal und Islam, die der Ethnologe und Schauspieler, Theatermacher und Musiker schon seit geraumer Zeit verfolgt.

Black Metal versteht sich selbst als blasphemisch – wie passt da Religion rein? Zumal eine Religion, die in Deutschland oft noch immer als etwas ‚von außen‘ betrachtet wird?

Türeli, gebürtiger Tauberbischofsheimer, arbeitete mit dem Regiekollektiv Rimini Protokoll genauso zusammen wie mit Rapper Kool Savage. Als Volkan T. ist er Wegbereiter des türkisch-deutschen HipHops, als Volkan T error eben Metaller und Gründer des Labels Endzeit Industry. Im deutschen Kulturbetrieb tauchen muslimische Figuren zumeist als Prot­ago­nis­t*in­nen von Flucht- und Terror-Geschichten auf, erzählt er: „Ich habe da keine Lust mehr drauf, ich wollte mal anders über Islam reden.“

2019 schrieb er sein Hörspiel „Black Metal Muslim“ um den fiktiven Kreuzberger Metal-Star T.O.T. und Weißbrote, die ihm seiner Religion wegen die ‚Trueness‘ absprechen. Nun folgt unter seiner Kuration eine digitale Ausstellung unter gleichem Namen „Black Metal Muslim“, die sich über mehrere Monate wuchernd erweitert: Vom Interview mit einer Islamwissenschaftlerin über einen Nachbau des Computerspiels „Doom“ führen „66,6 Takes“ durch einen komplexen Diskurs.

Repressionen und Ächtung

Langsam sickert auch im Westen durch, dass sich die Black-Metal-Szene in Marokko oder Indonesien, im Nahen und Mittleren Osten beinahe genauso bunt entfaltet wie in Europa – auch wenn natürlich global Schwarz getragen wird. Doch seit die religiöse Rechte nach dem Arabischen Frühling in vielen Ländern mächtiger wurde, sind Bands und Fans vielerorts staatlichen Repressionen und sozialer Ächtung ausgesetzt.

Nicht alle Bands sehen sich dabei mit solchen Gefahren konfrontiert wie die saudi-arabische Gruppe Al-Namrood, denen die Todesstrafe droht, wenn der Staat ihrer habhaft werden würde. Die Besetzung ist auch nach über einem Jahrzehnt Bandgeschichte unbekannt, und die sozial- und religionskritischen Texte bleiben nicht nur im grollenden Gesang unverständlich, sondern werden auch nicht abgedruckt, um die Mitglieder zu schützen.

Andere Bands übersetzen den antichristlichen Impuls des europäisch-amerikanischen Black Metal in den Islam. So etwa die libanesische Band Ayat, die die Verachtung religiöser Autoritäten des Libanon und Kritik an weißer Selbstgefälligkeit nebeneinanderstellt, oder die irakische Band Seeds of Iblis, die eine islamische Variante des Satanismus erkundet.

Tutorials für Growl-Gesang

Die Metal-Sängerin Anahid M.O.P. hingegen, in deren Heimat Iran Frauen das öffentliche Singen vor Männern verboten ist, lebt mittlerweile im Exil und wurde in der Türkei mit Tutorials für Growl-Gesang und einer dreckig gegrunzten Performance von Madonnas Song „Frozen“ bei einer Casting-Show zum Szene-Idol.

Die ganze „Black Muslim Metal“-Playlist findet ihr auf dem YouTube-Kanal von Endzeit Industry

Überhaupt, die Türkei. Hier gibt es seit Jahren eine florierende Metal-Szene mit Draht nach Berlin, oft Tourstation von Bands und 2013 mit dem Turkish Metal Battle Festival auch Ort des ersten Festivals türkischen Metals außerhalb der Türkei. Wobei damals auch Acts aus Leipzig und Berlin kamen, wie Türeli, der Metal-Melodien auf der Saz spielte. Denn Metal und Islam, das ist natürlich auch ein Thema vor der Haustür.

Türelis islamisch-türkischer Background hat ihn durchaus ähnlich geprägt wie die Musik: „Ich bin nicht religiös, ich habe früher auch mal scherzeshalber gesagt, ich bin Satanist“, sagt er im Telefoninterview mit der taz. „Aber selbst wenn du antireligiös bist, du wirst immer in einen religiösen Kontext gestellt. Wenn ein Familienmitglied stirbt oder durch die Medien und Leute, die dich diskriminieren.“

Konkreter Auslöser der Beschäftigung mit dem Thema war der Artikel eines Metal-Magazins aus dem rechtsextremen Teil der Szene. Unter dem Titel „Haram Black Metal“ behauptete dort vor einigen Jahren ein Autor „Ablaze – The True Voice of Underground“, Mus­li­m*in­nen könnten keinen Metal machen, theologisch begründet durch die Unterschiede der Figuren des biblischen Satans und des Iblis des Korans – bloß sehr notdürftig übertünchter Rassismus.

Vor der Kreuzberger Haustür

Aber auch wenn der sich nicht überall so offen zeigt – auch in kleinen Gesten musste Türeli erkennen, dass die Metal-Szene Schwierigkeiten hat mit Menschen, die nicht weiß sind. „Ich habe 2002 in einer Band gespielt, überwiegend mit Personen türkischer Abstammung aus dem Umfeld vom Kreuzberger Laden Core Tex – wir hatten keine langen Haare, wir sind mit Jogginghosen aufgetreten. Da haben wir gemerkt: Wir sind anders“, sagt Türeli. Nein, nicht sie selbst hätten es gemerkt, die Leute hätten es sie spüren lassen. „Obwohl wir uns in einer Szene bewegen, von der wir ausgehen, dass sie liberal ist. Rassismus gibt es hier nicht mehr und nicht weniger als in anderen Subkulturen auch.“

„Black Muslim Metal“ ist Teil einer Trilogie, der „I Slam 3Logie“, deren nächster Teil sich mit HipHop auseinandersetzen wird – nicht nur mit muslimischen Rapper*innen, sondern auch mit der Nation of Islam in den USA und dem islamischen Glauben vieler Schwarzer Concious-Rapper*innen. Die Multimedia-Installation, die sich nun auf den Kanälen von Endzeit Industry entfaltet, ist eine produktive Notlösung: Eigentlich sollte es eine Performance geben, nun bastelte man mehrere Monate in einem Ladenlokal in Kreuzberg mit großem Schaufenster an Diskurssplittern, die ein wenig an die essayistischen Filmminiaturen von Alexander Kluge erinnern.

Ausgehend von Diskussionen über den Teufel und der Frage nach dessen Hautfarbe (und ob er überhaupt eine Haut hat), geht es zur Auseinandersetzung mit Masken, Metal-Identitäten und Körperbemalung. Jeden Tag bis in den März erscheint eine neue Folge – es gibt zwar eine Dramaturgie, aber auch das rhizomatische Zappen eröffnet immer neue Zugänge zu Gedankenströmen und Fußnoten, die spannender sind als manche Haupttexte.

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