Türkisches Metal-Festival: Headbangen auf Türkisch
Die beiden Berliner Serkan Deniz und Erol Yildiz organisieren das erste türkische Metal-Festival in der Stadt.
Lederkutten, lange Haare und Teufelsgrüße: Die Metal-Community ist eine Welt für sich. Jedes Jahr aufs Neue reisen ihre Anhänger für verzerrte Gitarrenklänge und schnelle Doublebass-Rhythmen um die ganzen Welt. Doch während das Publikum internationaler kaum sein dürfte, stehen auf den Bühnen der großen Festivals meist europäische oder US-amerikanische Bands wie die britischen Motörhead oder die New Yorker Agnostic Front. Nur selten tritt auch mal eine türkische Metal-Band auf. „Das wollen wir ändern“, sagen die beiden Berliner Metal-Fans Serkan Deniz und Erol Yildiz. Am Samstagabend veranstalten sie im Friedrichshainer Club K 17 deshalb „das erste türkische Metal-Festival außerhalb der Türkei“: das Turkish Metal Battle.
Auf die Idee sind die beiden Freunde vor einem halben Jahr bei einem Metal-Konzert in Berlin gekommen, bei dem zwei türkische Bands im Vorprogramm auftraten. „Ich war auf Anhieb begeistert“, sagt der 39 Jahre alte Yildiz. Die türkische Metal-Musik lasse sich durchaus mit dem Sound international etablierter Künstler vergleichen. „Als wir dann mit der Organisation des Festivals begannen, waren wir selbst total erstaunt, wie verdammt groß die türkische Metal-Szene wirklich ist“, ergänzt Deniz, 38, und streicht sich mit seiner rechten Hand durch den dichten Bart. Denn was viele nicht wüssten: Auch in der Türkei gibt es bereits eine lange Metal-Tradition. Sowohl in dem für seine Musikszene bekannten Istanbul als auch in kleineren Universitätsstädten wie Adana in der Südtürkei sei Headbanging zur Rhythmusgitarre sehr beliebt.
Warum es bisher trotzdem nur so wenige türkische Metal-Bands auf deutsche und internationale Bühnen schafften, habe neben fehlender finanzieller Unterstützung viel mit Vorurteilen zu tun, glaubt Deniz: „Wenn es um Musik geht, werden wir türkischstämmige Deutsche oft in die HipHop- oder Gangster-Rap-Schublade gesteckt.“ Diesen Klischees wolle man nun begegnen, um zu zeigen: „Ja, auch wir Türken haben so etwas wie ein Metal-Gen.“
Für Serkan Deniz und Erol Yildiz, die sich selbst erst auf einem Metal-Konzert vor zwei Jahren kennen lernten, ist es jeweils fast 20 Jahre her, dass sie ihre Leidenschaft für die laute und oft harte Musik entdeckten. Yildiz, in Wedding aufgewachsen und studierter Ethnologe, kam damals über den Kreuzberger Punk zum Metal. Deniz hingegen, der heute als Projektkoordinator arbeitet, hörte lieber emotionale Balladen. Vor allem der melodische Metal, sagt er, habe viele Parallelen zur traditionellen türkischen Musik. „Aber eines ist sicher“, sagt Yildiz und streicht sich sein schwarzes T-Shirt glatt. „Metal ist die Musikkultur mit den lautesten Konzerten – und das gilt auch für die türkische Metal-Musik.“
Die sechs türkischen Bands, die nun auf dem Festival spielen, kommen aus den Metal-Subgenres Death, Ghetto und Black Metal, der Musik mit besonders aggressiver Grundstimmung. Gesungen wird meist auf Englisch, nur die beiden Bands Moribund Oblivion und Whisky werden im K 17, einem festem Bestandteil der Berliner Metal-Szene mit Platz für 300 Fans, auf Türkisch singen. Die Flüge müssen die Musiker aus eigener Tasche finanzieren – denn Yildiz und Deniz haben das Festival ehrenamtlich und in ihrer Freizeit organisiert. Für Unterkunft und Verpflegung der Bands sorgen Freunde und Familie.
Nicht alles ging glatt bei der Organisation – vier Tage vor Festivalbeginn am vergangenen Mittwochabend musste das Line-up noch mal geändert werden: Ein Bandmitglied der Gruppe Perversion bekam kein Visum. Aber da „Metal auch immer ein bisschen Chaos ist“, wie Erol Yildiz sagt, beunruhige ihn das nun nicht weiter.
Yildiz und Deniz hoffen, dass am Samstag auch viele Fans ohne türkischen Hintergrund kommen – „damit es auch mit dem interkulturellen Austausch in der Berliner Metal-Community klappt“. Und bevor sich Deniz für das Foto noch kurz die schwarze Jacke zurechtrückt und die Stoffhandschuhe überzieht, erklärt er, dass zum Metal auch immer viel Show gehört: „Das ist überall das Gleiche: Die Metal-Anhänger wollen gern böse sein – aber sie sind es einfach nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen