Biosprit der zweiten Generation: Müll im Tank

Kraftstoff aus Reststoffen kann die neue Generation Biosprit werden, denn er braucht keine Äcker. Ein Projekt in Finnland läuft, doch die Nutzung stockt.

Nicht alles was rumliegt, kann später zur Fortbewegung dienen Bild: imago/Fotoarena

Im finnischen Porvoo steht eine Raffinerie, in der Abfall zu Kraftstoff wird. Grüne und rote Rohre umschlängeln dort einen hohen Kegel. In diesen Pott kommen Schlächtereiabfälle wie Haut, Knochen und Blut vom Schwein, Tierfett oder Bratfett aus Großküchen und der Fischverarbeitung. Der halbstaatliche finnische Mineralölkonzern Neste Oil stellt Biokraftstoff der zweiten Generation her – bei der ersten Generation kommt der Biosprit üblicherweise noch aus Ackerfrüchten.

An der Verwendung von Algen, Stroh und holzhaltiger Biomasse forscht das Unternehmen noch. 1,2 Millionen Tonnen Reststoff will „Neste“ nach eigenen Angaben 2013 verwendet haben. Das Unternehmen sieht sich selbst als weltweit führend in der Verwendung von Reststoffen zur Dieselgewinnung – denn kaum eine Firma zieht nach.

Müll wird zu Sprit, ist es so einfach? Das Verfahren nennt sich Hydrotreating oder Hydrocracking. Den ungesättigten Fettsäuren wird Wasserstoff hinzugefügt. So werden sie von unnötigen Resten gereinigt, und Doppelbindungen werden gespalten. Es entstehen lange Kohlenwasserstoffketten, die wiederum in kleinere Moleküle zerteilt werden.

Der Dieselmotor verträgt Bio zu 100 Prozent. Trotzdem verkauft Neste Oil den grünen Stoff nur im Mix: fossiles Diesel mit einer Beimischung von 15 Prozent Biodiesel. „100 Prozent erneuerbaren Diesel wäre viel zu teuer für den Verbraucher“, sagt Petri Lehmus, Leiter der Neste-Forschungsabteilung. Und was würde ein Liter Abfalldiesel kosten? „Schwer zu sagen, aber es handelt sich nicht um ein paar Cent.“

2,50 Euro für einen Liter Abfallsprit?

Neste leistet sich nicht mal volle 15 Prozent Abfallsprit. Denn das Beimischprodukt „NexBTL“ (Next Generation Biomass-to-Liquid) stammt nach Konzernangaben nur zu 52 Prozent aus Reststoffen. Die restlichen 48 Prozent sind aus Palmöl gewonnen. 2011 wurde der Konzern dafür von Greenpeace als verantwortungslosestes Unternehmen der Welt gerügt. Neste kaufe Palmöl für vermeintlich grünen Sprit und sei mitverantwortlich für die Zerstörung des Regenwalds in Indonesien und Malaysia.

Doch das Unternehmen verarbeitet weiter Palmöl. Das ist nicht nur am Rohstoffmarkt billiger, es ist auch chemisch günstiger: Die kürzeren gesättigten Fettsäuren benötigen beim Zerteilen weniger Wasserstoffzufuhr als langkettige ungesättigte Fettsäuren von Altfett.

Fehlende Definition von Müll

„Neste wäscht sich grün“, sagt Matti Liimatainen, Waldexpertin bei Greenpeace Finnland. Das Unternehmen will jährlich 200.000 Tonnen Abfallsprit produzieren, zählt zu Abfallprodukten aber auch Stearin und Palmölfettsäure (PFAD). Im Jahresbericht 2011 machen die beiden Stoffe 22 Prozent des NexBTL-Diesels aus. Wie viel der einzelnen Rohstoffe er verwendet, wollte der Konzern auf Anfrage nicht sagen. „PFAD und Stearin sind ebenfalls aus Palmöl gewonnen“, sagt Liimatainen. „Diese Produkte sind kein Abfall. In der Seifenindustrie wird PFAD genutzt oder für Tierfutter. Stearin ist in Margarine, Seife, Kerzen.“

Reststoff ist eben nicht gleich Müll. „Bei jedem Stoff muss man sich fragen: Gibt es Nutzungskonkurrenzen und Grenzen der Verfügbarkeit?“, sagt Jenny Walther Thoß, WWF-Referentin für Nachhaltige Biomasse. Stroh und Restholz beispielsweise seien gut für die Bodenfruchtbarkeit. Bei altem Bratfett seien die Betrugsmöglichkeiten groß. „Es ist chemisch nicht zu unterscheiden, ob ein Fett wirklich genutzt wurde oder über simples Erhitzen umdegradiert wird.“

Die Referentin fordert, der Begriff „Reststoff“ müsse von der Politik definiert werden. „Unternehmen müssen mit einer Quote verpflichtet werden, die teureren Rohstoffe zu kaufen.“

Gut zur Imagepflege

In Deutschland gibt es die Biokraftstoffquote: 6,25 Prozent der Gesamtabsatzmenge der Mineralölunternehmen müssen Biokraftstoff sein. Biotreibstoff aus Abfällen hat eine besondere Stellung: Er darf doppelt auf diese Quote angerechnet werden. Ein Liter aus Bratfett zählt so viel wie zwei Liter aus Palmöl. Doch Sprit aus Tierfett darf nicht auf die Quote angerechnet werden. Denn diese Fette werden in der chemischen Industrie für Cremes und Shampoo verwendet.

Die Hoffnung auf die Produktion aus Reststoffen hat noch einen Haken: Selbst wenn alle verfügbaren Abfälle der EU zu Biodiesel würden, könnten damit gerade mal 16 Prozent des Gesamtbedarfs im Jahr 2030 gedeckt werden. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Wasted: Europe’s Untapped Resource“ vom International Council on Clean Trasportation (ICCT) im Auftrag mehrerer Umweltorganisationen wie WWF und Nabu und Unternehmen wie British Airways. Ohne politisch vorgeschriebene Effizienzsteigerung im Kraftstoffverbrauch geht es also nicht.

Die Macher der Studie betonen aber: Verwendet man sie in Maßen, gibt es mit Reststoffen keine Landnutzungsänderungen, und sie könnten ein Teil der Lösung des Emissionsproblems sein. Das Fazit der Studie: Europa hat mit Reststoffen //www.taz.de/Kommentar-EU-und-Agrarkraftstoffe/!123563/:ein Potenzial, dass es nicht nutzt.

Das hat auch die Europäische Komission erkannt. Im Oktober 2012 hat sie eine Vierfachanrechnung von Sprit aus Reststoffen vorgeschlagen. Ob und wann das Parlament zustimmt, ist unklar. Solange die Politik nicht in die Pötte kommt, kommt eben nichts Neues in den Pott der Mineralölkonzerne.

■ Die Recherchereise der Autorin nach Finnland wurde in Teilen von Neste Oil gesponsert
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