Biopic „Harriet“ über US-Heldin auf DVD: Kopfgeld für die Fluchthelferin
„Harriet“ ist ein Biopic über die berühmte Fluchthelferin des Schleuser-Netzwerks Underground Railroad. Es ist der erste Hollywoodfilm über sie.
Harriet Tubman ist eine Heldin, wenn es je eine gab. Geboren als Sklavin im Jahr 1822 auf einer Farm in Dorchester, Maryland, vielleicht aber auch etwas früher oder später, genau weiß man es nicht. Ihr Name war Araminta Ross, Minty genannt, den Namen, unter dem man sie heute kennt, gab sie sich selbst nach ihrer Flucht in die Freiheit. Als Jugendliche schlägt ihr ein Aufseher ein massives Stück Metall an den Kopf. Fast stirbt sie, sie trägt auf der Stirn eine Narbe davon und von dieser Verwundung datiert das Auftreten von Visionen. Es wird Gott sein, denkt sie, der mit ihr spricht.
Gott, falls er es ist, spricht zu ihr auch auf der Flucht. Ein entscheidender Moment, sie ist nach Philadelphia entkommen, sie hat ihren neuen Namen angenommen und sie kehrt ein Jahr später zurück zur Farm der Familie Brodess, von der sie ganz allein floh, um ihren Mann, der frei ist, aber hier arbeitet und lebt, zu sich zu holen. Sie muss erleben, dass er, im Glauben, sie sei auf der Flucht gestorben, erneut geheiratet hat.
Er also bleibt, aber eine Schar von Schicksalsgenoss:innen flieht mit ihr mit, die Flucht gelingt, weil Tubman im rechten Moment zu Boden sinkt und die richtige Eingebung hat. Der Weg geht durch den Fluss, der an dieser Stelle flach genug ist.
Es wird nicht Tubmans letzte Großtat als Fluchthelferin sein. In Philadelphia schließt sie sich der Underground Railroad an, dem konspirativen Schleuser-Netzwerk von Schwarzen, darunter ehemaligen Sklavinnen und Sklaven, und abolitionistisch gesinnten Weißen, die Fluchtwege finden, Fluchten organisieren und auch die Ankunft der Befreiten in sicheren Staaten. Bald wird sie „Moses“ genannt, das Kopfgeld, das auf sie ausgesetzt ist, wächst.
„Harriet“ (USA 2019, Regie: Kasi Lemmons). Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.
Das zeigt, das erzählt Kasi Lemmons in „Harriet“, teils notgedrungen summarisch, denn nicht nur diesen als wichtig ausgewählten Episoden im Leben ihrer Titelfigur, sondern auch den Konventionen des Biopic folgt der Film ziemlich treu. Als Historienfilmillusion ohne Brechung wird also im Kostüm mehr oder weniger aufwendig in Szene gesetzt, was geschah.
Schönheit, die das Herz erhebt
Eindrucksvoll sind die Bilder, Kameramann John Toll, der viel für die Wachowski-Schwestern gedreht hat, hat den Blick für die Sorte Schönheit an der Grenze zum Kitsch, die das Herz durchaus erhebt: in den Szenen im Wald im Dunkel der Nacht wie bei der Aussicht auf die weite Landschaft der Hügel und Felder von Maryland und Delaware.
Mitreißend ist die Musik, gelegentlich wird die Erzählung beinahe stillgestellt dafür, die gospelige Ballade „Stand up“ war, wie ihre Sängerin Cynthia Erivo, für den Oscar nominiert. Historisch verbürgt, im Film eher angedeutet, ist, dass Tubman Lieder wie „Go Down, Moses“ umschrieb und im veränderten Text kodierte Nachrichten für Fluchtwillige verbarg.
Erivo ist es auch, die die körperlich nicht große Tubman spielt, mit enormer Intensität, von brütender Entschlossenheit, dabei recht nahe an ihrer anderen großen Rolle der jüngeren Zeit, der übersinnlich begabten Detektivin Holly Gibney in der Serie „The Outsider“ nach Stephen King – uramerikanische Rollen, die sie als Engländerin spielt.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Harriet“
Verblüffend und wenig überraschend zugleich: „Harriet“ ist der erste Hollywoodfilm, der die Geschichte von Harriet Tubman erzählt. Es gab eine Fernsehserie im Jahr 1978 nach einer problematischen Romanvorlage, aber das Oscar-Treatment erhielt sie erst jetzt. Mit allen mit dem Genre verbundenen Stärken und Schwächen. Der große Film, den Harriet Tubman verdient, ist „Harriet“ nicht; aber als aufrechte Würdigung in Ordnung genug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!