Biografischer Roman von Edo Popović: Vögel beobachten bei Zagreb

Der kroatische Autor Edo Popović ist ein Rebell. Wie er das eigene Spiel nach einer Chemotherapie weiterspielt, erzählt er in „Das Leben: es lebe!“.

Ein mann im Karohemd lehnt sich an einen Holzpfosten

Edo Popvic Foto: Robert Fajt/Voland&Quist

Wer dem Tod von der Schippe gesprungen ist, steht vor der Wahl: sich Sorgen um die eigene Zukunft machen oder jetzt leben? Der 1957 im bosnischen Livno geborene kroatische Schriftsteller Edo Popović entschied sich fürs Jetzt.

Stark biografisch geprägt, erzählt er in seinem neuen Roman „Das Leben: es lebe!“ von Fragen, die sich so stellen, wenn man eine Lungenembolie überlebt hat und eine Krebserkrankung mit Chemotherapie behandeln lassen muss. Die Fragen danach, was lebendig sein heißt. „Ich lebe in den Tag hinein. Keine Pläne, keine Wünsche. Nichts“, schreibt er. Was sich schrecklich fatalistisch und traurig anhört, ist es nicht. Es ist Ausdruck des unbedingten Willens, alles zu genießen, was geboten wird, ohne sich dafür in irgendeiner Art zu korrumpieren.

Dass Popović – Mitgründer der jugoslawischen Literaturzeitschrift Quorom, Autor des Indie-Kultromans der 80er Jahre „Mitternachtsboogie“, legendärer Kriegsreporter – angesichts des Todes nicht bangend in die Zukunft schaut, sondern in einem alten Haus eines verlassenen Dorfes in der Nähe von Zagreb Vögel beobachtet, eine ganze Armada Katzen großzieht, Bibel und Buddhismus studiert, fällt ihm allerdings weniger schwer als anderen.

Die Gegenwart leben

Ihn, einen der bekanntesten Autoren des Landes, hat das Jetzt immer schon mehr interessiert als das Morgen: Karriere machen, Geld scheffeln, Immobilien kaufen, Rente absichern, die Angst vor dem Urteil der anderen – dafür hat er sich noch nie interessiert.

Edo Popović: „Das Leben: es lebe!“. Aus dem Kroatischen von Mascha Dabić. Voland & Quist, Berlin 2024, 162 Seiten, 20 Euro

Er, der antiautoritäre Rebell unter den talentierten Autoren seiner Generation, hat inzwischen zwar kaum noch Geld, keine Kolumne mehr und auch sonst kaum Aufträge, aber: „Lieber würde ich allein Hunger leiden, als in ihrer Gesellschaft die Reste zu essen“, schreibt er. „Ich spiele mein Spiel, für das ich die Regeln selbst festgelegt habe, und das, was diese Leute für superwichtig und wertvoll erachten, sind bloß Rasseln, die man Kindern zusteckt, damit die aufhören zu weinen.“

So sehr sich Popović über die Fremdbestimmheit der Städter, das Böse im Allgemeinen und den Kapitalismus im Besonderen noch immer aufregen kann, so sehr ist er derjenige geblieben, der sich das, was um ihn herum ist, sehr genau anschaut: die Natur, seinen Schatten, seine eigenen Gedanken und die schlecht gealterten Gedanken anderer.

Es tut gut zu lesen, dass Edo Popović immer noch derselbe zu sein scheint. Dass er lebendig ist. Auch wenn er inzwischen die Musik hört, die sein Sohn gut findet, seine Frau ihn aushalten muss und er sich fragt, was aus Beethoven geworden wäre, wäre der in Livno geboren.

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