Biograf über Trumps Charakterzüge: „Lächerlich großes Ego“
David Cay Johnston hält den gewählten US-Präsidenten für einen unreflektierten Choleriker. Die Verfassung könne ihn aber überleben.
taz: Herr Johnston, in Ihrem Buch skizzieren Sie Donald Trump als einen Mann, der von zwei Motiven getrieben ist: Geldgier und Rachsucht. Warum wollte er ins Weiße Haus?
David Cay Johnston: Trump geht es ums Gewinnen. Was ist der größte Preis der Welt? Die amerikanische Präsidentschaft. Seit 1985 hat er davon gesprochen, Präsident werden zu wollen. Ich habe ein großes Ego, aber seines ist lächerlich groß.
Ist dann das Weiße Haus groß genug für sein Ego?
Der Präsident der Vereinigten Staaten hat eine eng definierte Kompetenz. Aber Trump spricht vom amerikanischen Präsidenten, als ob er ein Diktator wäre. In seinen Unternehmen hat er kein Vorstandsgremium, keinen, dem er Rechenschaft schuldig wäre. Gut möglich, dass Donald beginnt, sich antithesisch zur Demokratie zu verhalten.
Wird seine Rachsucht ein internationales Problem?
Es wäre ein schwerer Fehler von den Führern der Weltmächte, ihn zu demütigen. Das könnte problematische psychologische Prozesse auslösen.
Wie reagiert er auf eine internationale Krise?
David Cay Johnston
Das ist das Beängstigende. Donald Trump ist so eine unreife Persönlichkeit, er ist so leicht zu ködern, es mangelt ihm an Proportionalität. Wir wissen nicht, wie er reagiert. Sein Instinkt in einer Krisensituation ist anzugreifen.
Viele glauben, seine Berater würden ihn schon einhegen. Aber sprechen seine ersten Personalentscheidungen nicht dagegen?
Seit der Wahl hat er Leute um sich geschart, die er als absolut vertrauenswürdig ansieht. Es sind Extremisten und Fanatiker. Aber: Die Verfassung hat Idioten, Paranoiker und alle möglichen Leute als Präsidenten überlebt. Das System wurde gestaltet, um den Schaden zu begrenzen, den ein Individuum anrichten kann. Es hat diese Kraft.
In Ihrem Buch geben Sie Beispiele dafür, wie leicht Donald Trump dazu gebracht werden kann, sich auch völlig unsinnige Argumente zu eigen zu machen. Wer wird den größten Einfluss auf seine Entscheidungen haben?
Immer der, der als Letzter mit ihm spricht. Eine der Herausforderungen von Reince Priebus als Stabschef wird sein, das zu organisieren. Trump hat zu vielen Themen keine durchdachten Ansichten. Wird er auch nicht entwickeln: Die Vorstellung, dass er auch nur eine Stunde mal dasitzt und über etwas nachdenkt, ist absurd.
Der Journalist: David Cay Johnston, 67, ist investigativer Journalist, war langjähriger Reporter der New York Times und ist Kolumnist verschiedener US-Medien. 2001 gewann er den Pulitzer-Preis.
Das Buch: "Die Akte Trump" (Originaltitel: "The Making of Donald Trump"), Ecovin Verlag 2016, 352 Seiten, 24 Euro
Wenn Trump immer auch vom Streben nach Höherem angetrieben ist. Was kommt dann für ihn als Nächstes?
Trump wird Erfolg haben wollen. Das Größte, was er erreichen könnte, wäre, zu beweisen, dass er wirklich die Weltgeschichte beeinflusst hat. Dazu wird er neue Bündnisse eingehen, wobei mir sein Verhältnis zu Putin am meisten Angst macht.
Wird Trump versuchen, mit Putin irgendwelche Spielchen zu spielen?
Wenn er das versucht, wischt Putin mit Trump den Boden auf. Die spielen intellektuell nicht in der gleichen Liga.
Was heißt das für Europa?
Es könnte heißen, dass die USA an Macht verlieren und Angela Merkel, sollte sie eine vierte Amtszeit gewinnen, tatsächlich zur eigentlichen Anführerin der freien Welt aufsteigt.
„Der Staat versagt, deshalb müssen wir Bürger für diese Menschen sorgen“, sagt Cédric Herrou. Der Landwirt aus Frankreich wurde als Schleuser angeklagt, weil er Flüchtlinge aus Italien in seinem Lieferwagen mitnahm. Auch Andere aus seinem Dorf packen an. Die Geschichte einer kleinen Insel in einem der rechtesten Flecken des Landes lesen Sie in der taz.am wochenende vom 26./27. November 2016. Außerdem: Trump-Biograf David Cay Johnston über das verkorkste Seelenleben des nächsten US-Präsidenten. Und: Was die Intimfrisuren der Copacabana mit Adolf Hitler zu tun haben. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Trump hat in seinem Wahlkampf vieles versprochen, von dem wir wissen, dass er es nicht einlösen kann. Was passiert, wenn das klar wird?
Viele Trump-Wähler haben in Fernsehinterviews gesagt, dass sie ganz genau wissen, dass er keine Mauer bauen und Mexiko dafür bezahlen wird. Sie haben ihn gewählt, um das System in die Luft zu jagen. Allerdings: Viele erwarten von ihm Jobs.
Und wenn er da nichts liefern kann?
Dann werden sich Leute recht schnell gegen ihn wenden und er wird ein Präsident mit nur einer Amtszeit werden. Aber er ist ein so routinierter Hochstapler – er kann Leuten alles verkaufen, auch ein Steak, und wenn du hinschaust, ist da nur ein leerer Teller. Aber sie kaufen es trotzdem, weil es sich so lecker angehört hat.
So wie das Versprechen von Jobs in der Stahlbranche …
Exakt! Diese Jobs sind weg, sie sind überholt, sie kommen nicht wieder!
Und wenn Trump dabei erwischt wird, dass es leere Versprechen waren?
Dann wird er davon ablenken. Und er wird Gewalt und Auseinandersetzungen schüren und seine Macht als Präsident missbrauchen. Donald Trump ist kein gütiger Mensch, er ist nicht einmal einfach nur schlecht, er ist bösartig.
Wie sehen Sie sein Verhältnis zur Republikanischen Partei?
Trump ist kein Republikaner.
Aber er muss ja mit der Partei regieren. Wird Trump die Partei kontrollieren können oder die Partei ihn?
Beides nicht. Die Republikanische Partei steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Meine Vermutung ist: Trump wird alles versuchen, die unterschiedlichen Flügel gegeneinander auszuspielen. Trump ist ein Meister darin, Risse zu finden, in die er hineinstoßen kann. Er wird Keile in die Partei treiben, wird sich sogar manchmal mit den Demokraten verbinden.
Auch die debattieren ja jetzt über die richtige Strategie?
Ein Beispiel dazu. Mein Bruder ist Handwerker, körperlich am Ende, erwerbsunfähig geschrieben. Lebt in einem Trailer. Er ist 64. Ich hab ihn mal gefragt, warum alle Leute in seiner Trailer-Siedlung republikanisch wählen, das sei doch gegen ihre eigenen Interessen. Seine Antwort: Wenn ich an Gott glaube, Waffen liebe und Schwule hasse, dann werde ich Republikaner. Denn was zum Teufel haben die Demokraten je für mich getan?
Was heißt das für die Demokratische Partei?
Ihre Zukunft liegt nicht bei Bernie Sanders, sondern bei Elisabeth Warren. Sanders hat die Unzufriedenheit erkannt und ausgenutzt. Wenn er nominiert worden wäre, hätte er nicht gewonnen, und wenn, wäre er als Präsident keinen Deut besser als Trump. Er hat keine Ahnung von Management, und er ist auch kein besonders sympathischer Mensch. Aber Elisabeth Warren kann mit den Leuten wirklich reden. Sie ist nur zu alt. Die Demokraten brauchen eine 20 Jahre jüngere Elisabeth Warren. Und sie müssen die schnell finden, sonst sind sie weg vom Fenster.
Brauchen wir linken Populismus?
Populismus in den USA bedeutet immer Leute, die wirklich von nichts eine Ahnung haben. Das brauchen wir nicht, deshalb habe ich von Elisabeth Warren gesprochen. Wir brauchen populäre, in der Arbeiterschaft verwurzelte Führungspersönlichkeiten, die sich zugleich sehr gut in den Themen auskennen.
Wo sollen die herkommen?
Das wird schwierig. Versuchen Sie einmal, mit einfachen, arbeitenden Leuten über Politik zu reden. Es geht nicht. Dann fangen Sie an, über das neunte Inning eines bestimmten Baseball-Spiels zu sprechen, und siehe da: Was können diese Leute differenziert und kenntnisreich analysieren! Warum gelingt das nicht, dass sie von Regierung und Demokratie genauso viel verstehen?
Ist es möglich, dass Trump einfach nach einem Jahr das Interesse an dem Job verliert?
Zurücktreten wird er nicht. Sollte er aufhören, dann wird es heißen, er habe einen Schlaganfall oder seine Gesundheit habe sich verschlechtert. Dann wird Mike Pence Präsident, und das wäre nicht viel besser. Pence ist ein Ideologe aus Hingabe. Er will die öffentliche Bildung abschaffen und glaubt an die Bibel als wortwörtliche Wahrheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen