Biobranche ringt um Konsumenten: Bio überzeugt immer weniger
Nur noch 28 Prozent der Verbraucher glauben einer Umfrage zufolge, dass Öko gesünder sei. Der Anteil derer, denen Bio besser schmeckt, sinkt. Grund: kritische Studien.
NÜRNBERG taz | Immer weniger Verbraucher halten Biolebensmittel für schmackhafter oder gesünder als konventionelle Produkte. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die die renommierten Marktforschungsinstitute GfK und AMI auf der Öko-Messe BioFach in Nürnberg vorgestellt haben. Demnach stimmten 2010 nur noch 28 Prozent der 30.000 Befragten der Aussage "Bio ist gesünder" zu. 2007 waren es noch 41 Prozent. Der Anteil derjenigen, denen Bio besser schmeckt, ist im gleichen Zeitraum von 28 auf 19 Prozent gefallen. Die Zahlen belegten eine "Erosion der Überzeugung" der Konsumenten von den Vorteilen der Öko-Lebensmittel, sagte Gfk-Experte Helmut Hübsch.
Diese Entwicklung trug zum Ende des Biobooms im Jahr 2009 bei, und 2010 gab es nur ein geringes Wachstum. Für die Umwelt sind das schlechte Nachrichten, weil Ökobauern anders als ihre konventionellen Kollegen auf chemisch-synthetische Pestizide und Dünger verzichten. Außerdem räumen sie ihren Tieren mehr Platz ein.
Doch für viele Verbraucher spielen diese Faktoren bei der Kaufentscheidung eine kleinere Rolle als Geschmack und Gesundheit. Aber diese angeblichen Vorteile wurden in zahlreichen Studien bestritten. So urteilte eine Untersuchung der London School of Hygiene & Tropical Medicine 2009, dass Bioessen nicht gesünder als konventionelles sei. Zu diesem Ergebnis kam vergangenes Jahr auch die Stiftung Warentest. Biolebensmittel seien im Schnitt auch nur genauso schmackhaft. Solche Veröffentlichungen hätten sich auf die Überzeugung der Verbraucher ausgewirkt, so Hübsch.
Diesen Trend will die Branche stoppen, indem sie auch mit anderen Vorteilen ihrer Produkte wirbt. Einer der größten Bioanbauverbände, Naturland, etwa hat eine Zertifizierung für Lebensmittel entwickelt, die außer öko ebenfalls sozial und fair sein sollen. Wenn die Unternehmen zum Beispiel Rohstoffe aus Entwicklungsländern importieren, müssen sie einen Mindestpreis beachten. Auch im Inland wirbt Naturland mit einer "partnerschaftlichen Preisfindung".
Doch das Interesse an dem Siegel entwickelt sich nur langsam. Ein Jahr nach dem Start sind "knapp zehn Unternehmen" dabei, wie Hans Hohenester, Präsidiumsvorsitzender von Naturland, am Donnerstag sagte. Insgesamt 163 Artikel dieser Firmen trügen das "Naturland Fair"-Logo, vor allem Milchprodukte, Backwaren, Tees und Gewürzmischungen. "Einen Großteil der Verbraucher interessiert Nachhaltigkeit überhaupt nicht", erklärte Marktforscher Hübsch.
Die Ökobranche muss deshalb Bioexperten zufolge zusätzlich ihr "Gesund und lecker"-Image aufpolieren - zum Beispiel, indem sie verstärkt auf Billigrohstoffe wie Aromen oder Zusatzstoffe verzichtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich