piwik no script img

Billiges VergnügenSpreepark zum Schleuderpreis

Der alte und neue Verwalter des verrotteten Vergnügungsparks will das Gelände verkaufen. Wohl zu einem sehr niedrigen Preis, denn er selbst sieht wegen seiner Schulden sowieso nichts von dem Erlös.

Der ehemalige Spreepark-Betreiber und jetzige Verwalter Norbert Witte will den Park im Plänterwald verkaufen. "Ich gebe das Gelände an eine Investorengruppe", sagte er am Wochenende. Die Verhandlungen befänden sich im Endstadium. Wittes Ziel: "Berlin soll wieder einen Freizeitpark haben."

Die Verfügungsgewalt über den Spreepark hat, seit das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt wurde, wieder die Spreepark GmbH. Deren Geschäftsführerin ist Wittes Exfrau Pia Witte. Von daher mag es nicht ganz korrekt sein, wenn Witte auf die Frage, wer über die Zukunft des Areals entscheidet, antwortet: "Ich ganz allein." Doch auch in den 90er-Jahren war Pia Witte auf dem Papier Hauptgesellschafterin, während Norbert Witte das Sagen hatte. Das Land Berlin, die Gläubigerbanken oder der Insolvenzverwalter haben jedenfalls tatsächlich keinen Einfluss darauf, wann und an wen die Spreepark GmbH das Gelände verkauft.

Witte und der Spreepark - das ist eine schier endlose Geschichte. 2001 hatte sich der damalige Betreiber in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit sechs Fahrgeschäften nach Peru abgesetzt und in Berlin ein hoch verschuldetes Grundstück zurückgelassen. Als er in die deutsche Hauptstadt zurückkehrte, klickten die Handschellen. Denn Witte hatte, versteckt in einem Fahrgeschäft, Kokain aus dem Andenland nach Deutschland schmuggeln wollen. Seit Mai diesen Jahres hat er seine Haftstrafe abgesessen.

Die grüne Abgeordnete Lisa Paus sieht angesichts der neuesten Pläne von Norbert Witte die Gefahr, dass dieser das ökologisch wertvolle Areal für einen Apfel und ein Ei verschleudert. Denn Geld einzunehmen macht für die Spreepark GmbH wenig Sinn. Sie hat mindestens 15 Millionen Euro Schulden bei der Deutschen Bank, dem Land Berlin und verschiedenen Privatpersonen. Nimmt sie Geld ein, können das die Gläubiger sofort einziehen.

Und auch wenn Norbert Witte als Privatperson Geld erwirtschaften sollte, könnte das an andere Gläubiger gehen. 1981 hatte er, laut einem Urteil des Landgerichtes Hamburg, das größte Unglück auf einem deutschen Rummelplatz in der deutschen Nachkriegsgeschichte verursacht. Sieben Tote und mehr als 20 Verletzte waren die Folge, weil Wittes Teleskopkran bei vollem Fahrbetrieb mit dem Karussell seiner Standnachbarin auf dem Hamburger Rummel "Dom" kollidierte. Weil er nicht versichert war und die Wiedergutmachung an die Opfer nicht zahlen konnte, ist er seitdem nicht geschäftsfähig. Im Spreepark hatte er zwar immer die Fäden gezogen, Geschäftsführer und Gesellschafter waren aber andere.

Lisa Paus fordert das Land Berlin daher auf, alles zu tun, Witte den Zugriff auf das Gelände zu entziehen. "Witte ist lange genug im Schaustellergeschäft. Er könnte alte Bekannte an die entscheidenden Positionen setzen und selbst wieder die Strippen ziehen", befürchtet sie. Denn: "Für Überraschungen war er immer gut." Bezirk und Land seien in der Pflicht, das Areal sehr schnell über Ökoauflagen unattraktiv für einen möglichen neuen Möchtegern-Investor zu machen. Damit dürfe man keinesfalls bis zum Ende der Sommerpause warten. Bis dahin könnte Witte Tatsachen schaffen. "Sowohl die Deutsche Bank als auch der Liegenschaftsfonds können die Zwangsversteigerung veranlassen. Dann verliert Witte die Verfügungsgewalt", sagte die grüne Wirtschaftspolitikerin.

Witte allerdings dementiert, selbst hinter dem möglichen neuen Investor zu stehen, dem er den Park verkaufen will. "Ich bin mit dem Spreepark gescheitert und habe andere Lebenspläne. Ich werde deshalb dem Land Berlin und dem neuen Investor nicht im Wege stehen."

Einmaliges Biotop

Die Bürgerinitiative im Plänterwald fordert den Bezirk Treptow-Köpenick unterdessen auf, eine neue Umweltverträglichkeitsstudie für das Areal im innerstädtischen Plänterwald zu erstellen. "Die Auflagen müssen an das neue EU-Recht angeglichen werden", sagt Erhard Reddig von pro Plänterwald der taz. "In den sechseinhalb Jahren, in denen das Gelände ungenutzt war, sind dort neue Biotope entstanden, die zur Kenntnis genommen werden müssen. Hier haben sich seltene und geschützte Tier- und Pflanzenarten neu angesiedelt."

Das beträfe Rotbuchen, geschützte Fledermausarten und Reiher. Und wo einst eine Wildwasserbahn durch künstliche Kanäle flitzte, genießen heute geschützte Lurche die Stille.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!