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Billige Minenräumung in Afghanistan„Bumm, und weg ist es“

Als Kind spielte der Designer Massoud Hassani vor den Minenfeldern Afghanistans. Nun hat er ein Gerät entwickelt, das Minen billig explodieren lässt.

Wie ein Raumschiff in der Wüste: das „Mine Kafon“ sucht Minen. Bild: Massoud Hassani

Wer in New York durch das MoMA, das Museum of Modern Art, spaziert, sieht Meisterwerke von Picasso, Monet und Rothko. Doch man kann auch einem Ding begegnen, das aussieht wie eine Pusteblume aus dem Weltall.

Das Objekt ist nicht nur eine Skulptur für ein Museum. Es ist ein „Mine Kafon“, ein origineller Minendetektor mit Windantrieb, den der 30jährige afghanischstämmige Designer Massoud Hassani gebaut hat. Der Mine Kafon steht im MoMA in der Ausstellung für Angewandtes Design. „Trotzdem ist es komisch, denn es ist keine Kunst“, sagt Hassani. „Ich bin kein Künstler.“

Jedes Jahr werden etwa 26.000 Menschen durch Minen getötet oder verstümmelt, schätzt die humanitäre Hilfsorganisation Care. Aber das Problem scheint in Vergessenheit geraten zu sein, meint Hassani, obwohl weltweit vermutlich mehr als 110 Millionen scharfe Minen verlegt sind. Afghanistan gehört zu den am stärksten betroffenen Ländern.

Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. Juni 2013. Darin außerdem: „Das ist die Lösung!“ Es gibt viele Ideen für eine bessere Welt. Man muss sie nur suchen – und aufschreiben. Ein Spezial der taz und 21 weiterer Zeitungen. Die Transsexuelle Jane Thomas und ihre älteste Tochter über die CSU und Familie. Und: Der Gezi-Park ist geräumt, aber der Protest geht schweigend weiter. Aus alten Feinden sind neue Freunde geworden. Unterwegs mit den Fußballfans von Besiktas Istanbul. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der 70 Kilogramm schwere Mine Kafon hat einen Durchmesser von 190 Zentimetern und wird in Handarbeit aus Bambusrohren und biologisch abbaubarem Plastik montiert. Wenn er über Minenfelder rollt, bringen die Plastikfüße am Ende der Bambusrohre durch ihren Druck die Landminen zur Detonation. Hassani hat das Gerät so konstruiert, dass es zwei bis vier Explosionen übersteht, ohne kaputtzugehen.

Spielen in den Minenfeldern

Hassani und sein Bruder haben während ihrer Kindheit in Afghanistan Spielzeuge aus allem gebastelt, was sie in ihrem Dorf fanden. Am liebsten windbetriebene Spielzeuge, die sie um die Wette laufen ließen. Dabei wurden ihre Spielzeuge oft in die Minenfelder geblasen, in denen einige seiner Kinderfreunde ums Leben kamen. Mit vierzehn floh Hassani aus Afghanistan über Pakistan und Russland bis in die Niederlande, wo er schließlich bleiben konnte.

Hassani hat an einer niederländischen Designakademie studiert, und dort wurde auch der Mine Kafon – auf Deutsch: „Lass die Minen explodieren“ – geboren. Hassani hatte eine Reihe von Prototypen seiner kleinen, windbetriebenen Kinderspielzeuge gebaut und meinte zum Spaß, mit denen könne er ja Minen detonieren lassen. Hassanis Lehrer hielt das für eine gute Idee und ermutigte ihn, das Projekt zu verwirklichen.

Impact Journalism Day

Der Impact Journalism Day ist eine von der Medienplattform „Sparknews“ angestoßene Kooperation von weltweit 22 Zeitungen. Die Redaktionen verpflichten sich, in drei Sprachen Artikel zu liefern, die kreative Möglichkeiten aufzeigen, wie weltweite Probleme gelöst werden können. Zudem verpflichtet sich jede Redaktion, eine gewisse Anzahl von Artikeln zu veröffentlichen. Dieser Text stammt von Sparknews.

„Jedes Produkt, das man herstellt, hat etwas mit der eigenen Person zu tun“, sagt Hassani. „Weil ich so viele Erfahrungen mit diesen Spielzeugen hatte und schon so viel recherchiert hatte, fiel mir die Umsetzung von der Idee zum Produkt leicht.“

Seine ersten Modelle ließ der junge Designer beim niederländischen Militär testen.

„Anfangs war es hart, zusehen zu müssen, wie das Modell explodiert. Ich hatte so lange daran gearbeitet, und dann macht es auf einmal bum, und weg ist es“, sagt er. „Designer entwerfen normalerweise Stühle und solche Dinge, dann hängen sie an das fertige Produkt ein Schild: Bitte nicht berühren. Und wir haben das Ding einfach in die Luft gejagt!“

Erfolgreiche Räumung: das niederländische Militär testet Hassanis Erfindung. Bild: Massoud Hassani

Die niederländischen Militärs zogen sich nach einer kurzen Testperiode aus dem Projekt zurück, da der Mine Kafon für ihre Begriffe nicht präzise genug funktionierte. Die von Menschen durchgeführte Minensuche sei zwar gefährlicher, meinten sie, aber effektiver. Trotzdem ermunterten sie Hassani, seine Arbeit fortzusetzen.

Ein Bruchteil der Kosten

Mit der üblichen Methode kostet die Räumung einer Mine bis zu tausend Dollar. Wenn der Mine Kafon serienreif ist und industriell hergestellt werden kann, wird jedes Exemplar nur 40 Dollar kosten. Und da der Mine Kafon vor Ort in Handarbeit montiert werden könne, könne er sehr gut von humanitären Organisationen eingesetzt werden, meint Hassani.

Im Dezember 2012 hat Hassani eine Fundraising-Kampagne ins Leben gerufen. Trotz der vielen Feiertage in dieser Zeit hat er für die Weiterentwicklung des Mine Kafon mehr als die erhofften 187.000 Dollar gesammelt. Hassani sagt, die überwältigende Unterstützung, die er erfahren habe, sei für ihn ein Beweis, wie sehr seine Erfindung gebraucht werde.

Hassani würde gerne sowohl ein zylindrisches als auch ein motorbetriebenes Gerät entwickeln, das besser gesteuert werden kann und weniger abhängig vom Wind ist. Da das gegenwärtige Modell nur für Wüsten entwickelt wurde, will er auch Geräte bauen, die in all den unterschiedlichen Landschaften eingesetzt werden können, in denen Minen verlegt sind, wie etwa in Vietnam und Angola.

Sobald Hassani die nötigen baulichen Veränderungen vorgenommen hat, will er sein verbessertes und viel größeres Windspielzeug später im Jahr dort ausprobieren, wo die Idee ihren Ausgang genommen hat: in den afghanischen Minenfeldern seiner Kindheit.

Aus dem Englischen von Heike Brandt

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10 Kommentare

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  • I
    Irmi

    an Zweifler

     

    Der Kongo ist für den Rest der Welt nur wegen seiner Erdschätze interessant, aber nicht wenn es um das dortige Elend geht, wie auch die Minen, die Menschen zerfetzt oder verstümmelt.

     

    Im Kongo gibt es so viele intelligente Menschen, man könnte denen zeigen wie man so ein Teil baut, dann könnten die sich selbst die Minen sprengen.

     

    Wenn etwas im Kongo funktioniert, dann improvisieren. Wo es kaum funktionierende Industrie gibt für die kongol. Bevölkerung um Teile für Autos z.B. zu kaufen, dann macht man sich die Teile, die man hat passend für jeden Autotyp. Bei uns ist (nicht nur) die Autoindustrie darauf ausgelegt wegzuwerfen, dort um das Vorhandene zu nutzen bis nichts mehr geht.

  • T
    taptap

    Gut, dass der Artikel den Test der holländischen Armee anspricht und somit die relative Unbrauchbarkeit des Gerätes bestätigt. Genauso wie es bereits vor Monaten im Netz diskutiert wurde:

     

    https://news.ycombinator.com/item?id=4808061

     

    http://www.dezeen.com/2013/01/07/wind-powered-mine-detonator-on-kickstarter/

  • B
    Branko

    Super-Idee!

     

    Das Militär hat sich vermutlich deswegen aus dem Projekt zurückgezogen, weil der Mine Kafon nicht ermitteln kann, ob alle Minen erwischt worden sind.

     

    Für Militärs spielt Geld ja keine Rolle, aber rein wirtschaftlich betrachtet macht es Sinn, eine Kombination aus Mine Kafons und herkömmlicher Methode einzusetzen.

     

    Erstmal das Minenfeld mit Mine Kafon grob vorräumen, und dann den Rest mit der herkömmlichen High-Tech-Methode sichern.

  • V
    viccy

    Wenn er das an Chrysler verkauft, haben die nicht nur, wie bisher, Minen und Prothesen (!) im Angebot, sondern noch ein weiteres Produkt gegen ihr eigenes Produkt.

  • FT
    Foo the Bar

    Das Problem bei den Dingern ist, das sie eben nicht systematisch eingesetzt werden können weil sie nicht steuerbar sind. Eine Freigabe der Flächen als "sicher" kann es damit nicht geben. Aber es ist wohl eine gute Lösung zur groben "Vorreinigung" welche:

    1.) Das Risiko für die Bevölkerung senkt

    2.) Das Kosten für die spätere ordnungsgemäße Mienenräumung senkt.

  • R
    Remsch

    Zweifler: Mine ist ungleich Mine. Die Minen der DDR waren in erster Linie dazu da, Menschen kampfunfähig zu machen und sie ggf. am Leben zu lassen. Die in Afghanistan sind teilweise dafür ausgelegt Fahrzeuge zu sprengen. Dass sie sogar bei Menschen explodieren, liegt an der teilweise minderwertigen Qualität und am Alter. Zudem weiß man dort nie so genau, was wo liegt. Die Verbrecher der DDR hatten dies immerhin gut dokumentiert, sodass man sicher sagen konnte, wie man die jeweiligen Minen räumen konnte. Dass Jeep und LKW die Mauer überqueren, galt aus äußert unwahrscheinlich.

  • A
    AntonGorodezky

    Schön, dass die taz auch von diesem Projekt erfahren hat - immerhin läuft das sicherlich schon zwei Jahre.

     

    Ein Bereich, den so ein windbetriebenes Objekt abgerollt hat, kann keineswegs als minenfrei gelten. Schließlich werden nur die Minen gezündet, die auch wirklich überfahren werden. Sicher: diese Minen nehmen niemandem mehr ein Bein oder einen Arm (und so gesehen ist jede Maßnahme, die die Zahl scharfer Minen veringert eine gute Sache), für eine flächendeckende Räumung taugt dieses Gerät aber überhaupt nicht.

  • B
    balea

    @ Zweifler:

    In Kambodscha ist der Grossteil der direkt unter der Erde verlegten Minen inwischen gräumt, zumeist in müsehliger Handarbeit. Der Ausdruck "Bauern gehen vor Hunger in die Todesfelder" ist zwar schön kitschig trifft aber nicht die Realität des heutigen Kambodschas und seiner zahlreichen sehr konkreten Probleme. Aktuell sterben dort mehr Menschen an HIV, Dengue und ganz oben: Verkehrsunfälle. Dann gibt es auch jedes Jahr viele Dutzend Tote auf den Feldern: durch Blitzschlag.

    Was der Satz: "westl Spezialkräfte schicken ausgebildete Einheimische in die Todesfelder..." ist mir schleierhaft. Kambodschaner sind inzwischen hervorragend in der Minenräumung ausgebildet und haben solche Aufträge für die UN in Afrika übernommen. Muss man jetzt auch schreiben: Asiatische Spezialkräfte schicken ausgebildete afrikanische Einheimische in Todesfelder?

    Auch jetzt gibt es immer wieder sehr viele Tote in Kambodscha durch Explosionen alter Minen: Das sind meist Opfer von Minensprengfallen, die die Roten Khmer auf Feldwegen in den letzten "Strongholds" vergraben haben. Mehrere Minen, ein Meter und tiefer vergraben, damit keine einzelnen Personen getroffen werden sondern gemeint als als AntiPanzermine auf ihrem Rückzugsweg.

    Inzwischen geht es den Bauern in vielen Provinzen besser und in Battambang, der traditionellen "Ricebowl" leisten sich einige Bauern inzwischen leichte Traktoren. Und dort kommt es nun gerade in der Regenzeit (aufgeweichte Böden, viel Arbeit auf dem Feld, Fahrzeug mit vielen Personen und einem gewissen Gewicht auf dem Weg ins Feld) zu tragischen Ereignissen.

  • S
    Supi

    Ist aber nichts für Minenfelder im unwegsamen Gelände. Gut zur entminung von platten Äckern, aber schon ein felsiger Hügel würde ein Problem darstellen, oder nicht?

  • Z
    Zweifler

    Ich erinnere mich gut an die Minenräumung der Totesstreifen der innerdeutschen Grenze. Ein umgebauter L 60- Lkw mit vorgebauter Rüttelwalze und Splitterschutz ließ im Minutentakt die Minen detonieren.

     

    Afganistan, Kambodscha, Vietnam, Kongo etc. sind diese Technik nicht wert, möchte man meinen. Dort gehen die Bauern vor Hunger auf diese Todesfelder, und bestellen sie. Dabei verlieren sie Gliedmaßen oder ihr Leben. Genauso schicken westl. Spezialkräfte ausgebildete Einheimische in die Todesfelder, um die Minen von Hand zu räumen.

     

    Ich glaube, ich bin im falschen Film, wenn Militärgerät zur Minenräumung nur für militärische Zwecke genutzt wird. Was für ne Absurdität.