Bill Mahers Agit-Dokfilm "Religulous": Ausgewählte Irre
Der US-Late-Night-Talker Bill Maher bringt seinen ersten Dokfilm im Michael-Moore-Stil auf die Leinwand. Sein Ziel: Religionen aller Couleur lächerlich machen.
![](https://taz.de/picture/356638/14/14092964.jpg)
Der Stand-up-Comedian und US-Late-Night-Talker Bill Maher flog 2002 mit der Sendung "Politically Incorrect" bei seinem Sender ABC aus dem Programm, weil er darauf beharrte, dass die Selbstmordattentäter des 11. September alles, nur keine Feiglinge gewesen seien. Er ging zum Bezahlsender HBO, seitdem gibt es dort die "Real Time with Bill Maher". Der Vorfall ist bezeichnend, weil er klarmacht, dass Maher sich vor allem als eines versteht: als allzeit zum Widerspruch aufgelegte Stimme der Vernunft.
Er ist für die Schwulenehe und gegen Waffenkontrolle, er hat Bob Dole gewählt und Barack Obama, er besucht gern öffentlich das Playboy Mansion und hält nie die Klappe. Ganz besonders wenig die Klappe hält er nun in "Religulous", dem an den Kassen mit Abstand erfolgreichsten US-Dokumentarfilm des letzten Jahres. Wobei man sich durch den Begriff Dokumentarfilm nicht täuschen lassen sollte. Das Werk ähnelt der Sorte Agitdok, die Michael Moore in die Welt setzt, nicht zuletzt darin, dass es kaum einmal eine Einstellung gibt, in der Maher sein Gesicht nicht in die Kamera streckt.
Die Agenda des Films bringt das Wortspiel des Titels "Religulous" - eine Mischung aus "religious" (religiös) und "ridiculous" (lächerlich) - ganz genau auf den Punkt: Der Film will belegen, dass Religionen aller Couleur lächerlich sind, und zwar indem er zeigt, was die Leute für einen Kokolores glauben beziehungsweise sich vorschreiben lassen, von Jungfrauengeburt bis Sabbatgebot, und wie gemeingefährlich dieser Unsinn ist, siehe islamischer Fundamentalismus.
Maher führt zum Beweis ausgewählte Irre vor und macht sich über sie auf mal sehr, mal weniger komische Weise lustig: einen wiedergeborenen Jesus, der zur Freude seines Bankkontos predigt, dass es Sünde ab sofort nicht mehr gibt; einen Hersteller von Sabbathandlungsverbots-Umgehungsmaschinen; einen "geheilten" Exschwulen; den Betreiber eines Anti-Evolutions-Museums, der unbedingt Dinosaurier neben Menschenkinder in seinen Schaukasten setzen will; oder, als auf seine sanfte Weise Schlimmsten von allen, einen reaktionären Rabbi, der sich die Wiederholung des Holocaust wünscht.
Maher hat naturgemäß wenig Mühe, daneben als Lichtgestalt agnostischer Vernunft zu erscheinen. Nur kommt er dabei zugleich als reichlich selbstgefällige Type rüber, als einer, der auf seine Art auch wenig begreift. Zum Beispiel, dass das Ding eben deshalb Glaube heißt, weil es das Bedürfnis befriedigt, mehr zu wissen, als man von Rechts wegen wissen kann. Das darf, wer an Vernunft glaubt, schon blöd finden. Nur lassen sich geschlagene 100 Minuten mit genau einer These nicht unterhaltsam bestreiten. Schon gar nicht, wenn kein halbwegs vernünftiger Vertreter der Gegenseite für mehr als ein paar im Schnitt zurechtmanipulierte Satzfetzen zu Wort kommt.
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