Bildungsstreik: Studis besetzen Hörsäle

Berlin hat seine ersten Uni-Besetzungen in diesem Herbst: FU-Studenten richten sich in einem Hörsaal in der Silberlaube ein, und an der HU wird das Audimax besetzt.

Nichts geht mehr: Studierende besetzen Hörsäle Bild: AP

Spätestens als zwischen den Jacken und Taschen, die Studenten am Rand des Hörsaals abgeworfen haben, Schlafsäcke und Isomatten zum Vorschein kommen, ist klar: Im Hörsaal 1A in der Silberlaube der Freien Universität wird auf absehbare Zeit kein Lehrbetrieb stattfinden.

Auf einer Vollversammlung sprechen sich die rund 600 anwesenden Studenten am Mittwochnachmittag mit großer Mehrheit und ohne Gegenstimmen für eine Besetzung des Raums im Anschluss an die Versammlung aus. Damit schließt sich die FU elf weiteren Unis aus ganz Deutschland an, in denen in den vergangenen Tagen und Wochen Institute oder Räume besetzt wurden. Im Laufe des Abends zieht die Humboldt-Universität nach: Hier besetzen Studierende das Audimax. Die Hörsäle sollen bis auf weiteres der Planung von Aktionen im Rahmen der zweiten Welle des Bildungsstreiks dienen, deren Auftakt eigentlich erst für die kommende Woche geplant war.

Gleich zu Beginn der Versammlung an der FU raten Studierende der Uni Potsdam, die seit einer knappen Woche Räumlichkeiten ihrer Uni besetzt halten, den Versammelten zur Besetzung des Saals. "Wir können euch nur empfehlen, das Gleiche zu machen, wir üben im Moment einen enormen Druck aus", sagt eine Potsdamer Besetzerin. Eine andere ergänzt: "Die Unileitung hat mächtig die Hosen voll."

Peter Grottian, emeritierter Professor am Otto-Suhr-Institut der FU, lobt die Studenten für die erste Streikwelle im Juni - und fordert sie auf, an den Aktionen anzuknüpfen. Die Aktivisten machten damals unter anderem mit fingierten Banküberfällen von sich reden. Grottian rät den Anwesenden jedoch, dieses Mal auch in eine andere Richtung zu denken: "Ihr müsst alles dafür tun, dass die Mitarbeiter der Hochschulen auch die Arbeit niederlegen." Die Studierenden dürften sich in Diskussionen nicht mit Sympathiebekundungen abspeisen lassen, sondern müssten die Lehrenden in die Mangel nehmen.

Im Laufe der nächsten Tage wollen die Besetzer unter anderem einen Forderungskatalog ausarbeiten. Sie fordern zum Beispiel ein freies und mehr selbst bestimmtes Studium. Ein weiteres Ziel: die Absetzung des Uni-Präsidenten Dieter Lenzen. Das könnte sich schneller erfüllen als angenommen: Gerüchteweise soll Lenzen an die Uni Hamburg wechseln.

Zum Ende der FU-Vollversammlung zeigt sich bereits das erste praktische Problem: Psychologie-Studenten, die in dem Raum einer Vorlesung beiwohnen wollten, reagieren teilweise mit Unverständnis. Auch hier zeigen sich die Potsdamer Besetzer erfahren: Sie fordern die FU-Studenten auf, schnellstmöglich zu überlegen, wie sie mit dem Vorwurf umgehen wollen, durch einen Bildungsstreik anderen die Bildung zu verwehren.

Die Universität hat nach Angaben von Sprecher Goran Krstin Gesprächsbereitschaft signalisiert. Das Präsidium habe "großes Verständnis, wenn sich Studierende für ihr Recht auf eine angemessene Bildung" einsetzten - im Rahmen von "friedlichen Veranstaltungen".

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