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Bildungsplan in BaWüSexuelle Vielfalt erweitern

Im Streit um den Bildungsplan in Baden-Württemberg gibt Grün-Rot nach: Nun sollen auch Themen wie Homosexualität im Unterricht behandelt werden.

Dachte sich dann wohl auch Winfried Kretschmann und will den Bildungsplan erweitern. Bild: dpa

STUTTGART epd/taz | Die baden-württembergische Landesregierung will den umstrittenen Entwurf zum Bildungsplan 2015, der für die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ an Schulen wirbt, erweitern. Das Ziel „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ solle sich nicht allein auf geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierung beziehen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Einbezogen würden jetzt unter anderem auch Nationalität, Religion oder Behinderung.

Die Landesregierung wolle daran festhalten, Schülern eine Haltung der Toleranz und Akzeptanz zu vermitteln, sagte Kretschmann. Es gebe beim Thema Akzeptanz sexueller Vielfalt kein Einknicken. Das Thema berühre die Menschenwürde. Ziel sei eine „unaufgeregte Selbstverständlichkeit: Es geht um Lebensrealitäten, nicht um sexuelle Praktiken“, sagte der Ministerpräsident.

Themen wie Homosexualität, Bi- und Transsexualität sollen im Unterricht nach dem neuen Entwurf intensiver und fächerübergreifend behandelt werden. Gegen diese ausdrückliche Thematisierung von Akzeptanz sexueller Vielfalt hatte es heftige Kritik von konservativen Elternverbänden und Politikern gegeben. Bildungsminister Andreas Stoch (SPD) sagte, die jetzt erfolgende Ergänzung solle zur Versachlichung der Debatte beitragen.

Der Streit über den Bildungsplan läuft seit Monaten. Eine Petition gegen diesen Bildungsplan hat knapp 200.000 Unterstützer, 82.000 davon aus Baden-Württemberg. Die Gegner überschütten auch Landtagsabgeordnete mit Protestmails. In dem vorformulierten Schreiben fordert die „Initiative Familienschutz“, das Thema aus dem Bildungsplan zu streichen: „In den Köpfen der Kinder soll die Ehe zu einer simplen Variante unter allen möglichen sexuellen Orientierungen degradiert werden.“

Während sich die Landeskirchen gegen „Indoktrination“ im sensiblen Bereich der sexuellen Identität ausgesprochen haben, werben seit dieser Woche die Evangelischen Frauen in Deutschland (EfiD) und die Männerarbeit der evangelischen Kirche für Akzeptanz verschiedenster Beziehungsmodelle.

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14 Kommentare

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  • „Weltanschauungen“ statt „Religionen“!

     

    Zunächst finde ich es gut, dass im neuen Bildungsplan nicht nur die aus der Menschenwürde abgeleitete Toleranz und Akzeptanz von Homosexualität betont wird, sondern ebenso z.B. von „Religionen“.

    Hierbei wird aber übersehen, dass Religionen religiöse Weltanschauungen sind und somit die große – und ebenso wichtige – Vielfalt der nichtreligiösen Weltanschauungen überhaupt nicht beachtet und gewürdigt wird, z.B. Agnostizismus, Atheismus und viele andere philosophische und wissenschaftliche Weltanschauungen.

    Solch eine Ungleichbehandlung hat das Bundesverfassungsgericht schon 1965 verboten, indem es betonte, dass der deutsche Staat weltanschauungsneutral sein muss, da nur dann Deutschland eine „Heimstatt“ für alle sein kann, egal, ob Sie eine religiöse oder nichtreligiöse Weltanschauung haben.

     

    Darum sollte die verbotene Bevorzugung von religiösen Weltanschauungen – „Religionen“ – durch den neutralen Begriff „Weltanschauungen“ ersetzt werden.

    • @Reinhard Moysich:

      Neben dem Schulfach Religion gibt es bereits Ersatzfächer (Werte und Normen in Nds.; Lebenskunde in Berlin etc), bei denen neben religiösen auch philosophische und gesellschaftswissenschaftliche Theorie umfassend vermittelt wird. Auch ist das Unterrichtsfach Philosophie in vielen Schulen vertreten.

       

      Das diese nichtreligiösen Weltanschauungen zu wenig gewürdigt würden, liegt in der Natur der Sache. Einzelne Philosophien/Theorien beispielhaft herauszugreifen würde gerade eine Ungleichbehandlung gegen die restlichen bedeuten. Alle hingegen darzustellen wäre eine neue Aufgabe für Sisyphos - da müssten wir die Schulpflicht wohl auf 25 Jahre ausweiten.

       

      Nebenbei: Von unzähligen Agnostikern und Atheisten, die mir regelmäßig begegnen können vielleicht 5% ihren "Glauben" philosophisch-wissenschaftlich determinieren. Ich bin eigentlich froh, wenn mir einer sagt: "Ich habe keine Lust Kirchensteuer zu zahlen".

       

      Was ihre Ansicht hinsichtlich des BVerfG angeht: Die Entscheidung haben sie gründlich missverstanden, zumal es dort lediglich um den eingegrenzten Bereich der Kirchensteuer(pflicht) gegangen ist. Das Gericht hat an anderer Stelle deutlichere Worte gefunden, die bei "Muckel, Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946" ab S. 179 (auch online) nachzulesen ist. Demnach bedeutet religiös-weltanschauliche Neutralität gerade nicht die strikte Trennung von Staat und Kirche, da die BRD gerade kein laizistischer Staat sei oder sein wolle, was im GG in der Präambel festgelegt und in den Art. 7 II, Art. 5 u.a. genauer ausgeführt wird. Von einem "Verbot" des BVerfG hinsichtlich der Ungleichbehandlung in Sachen Weltanschauungen kann somit keine Rede sein.

  • Sexuelle Vielfalt bitte auch Vielfältig.

    Mir scheint dass die sexuelle Vielfalt eher beschränkt als ausgeweitet werden soll. Homosexualität und Transsexualität etabliert sich - soweit sie sich auf monogame Paarbeziehungen beschränken. Um alles andere wird ein noch grösserer Bogen als zuvor gemacht. Bigamie, Inzest, Zoophilie etc. werden weiter tabuisiert bzw. die Strafandrohungen erhöht.

    Entweder man predigt sexuelle Freiheit: Es ist alles erlaubt, was niemand anderen schädigt.

    Oder man hat eine vielleicht religiös geprägte Sexualmoral, die man vermitteln möchte.

    Aktuell werden die alten Moralapostel als "Homophobe" verteufelt - gleichzeitig wird aber die sexuelle Freiheit zu Gunsten einer generischen Monogamie zu Grabe getragen.

    Diese doppelte Moral der neuen Moralisten nervt. Warum könnt Ihr nicht einfach zum einen für Freiheit eintreten ohne andere zu Diffamieren und zum anderen die Freiheit auch dort verteidigen, wo sie Eurem Weltbild nicht entspricht?

  • Hallo Comet, warum können Sie Ihren Beitrag nicht verfassen, ohne zu diskreditieren ? Ich bin doch kein „Bildungs-„ Gegner ? Daß Sie mich/uns als verklemmt bezeichnen, ist auch eher beleidigend. Und wieso glauben Sie, daß ich/wir anderen Minderheiten versuchen, irgendetwas „vorzuenthalten“ ? Dann kommen noch „Hirn ausschalten“ und „Menschenfeind“ hinzu. Sieht so Ihre Art von Auseinandersetzung aus ? Fünf Abwertungen in sechs Sätzen. Na toll, mein Lieber. Wenn das die Art von gesellschaftlicher Akzeptanz ist, in der Sie wollen, daß alle leben: Guten Morgen Deutschland.

    • @Thomas Schöffel :

      Ich habe ja auch nicht konkret von Ihnen gesprochen, sondern von der Masse, die da auf die Straße geht. Wenn Sie sich davon angesprochen fühlen, ist das Ihre Sache. Wenn Sie der Meinung sind, dass meine Äußerungen nicht zutreffen, dann haben Sie sicher Argumente, warum es so unfassbar schlimm ist, dass Jugendliche etwas über die Realität lernen. Bislang läuft das ja eher auf dem Niveau, als wenn Herr Kretschmann beschlossen hätte, das kopernikanische Weltbild im Bildungsplan festzuschreiben und die Bildungs(-plan)gegner würden ihn deshalb der Gotteslästerung bezichtigen. Und genau deshalb spreche ich eben von Bildungsgegnern.

  • Frühe Sexualisieung von Kindern ? Soso. Irgendwie fällt mir da sofort der große Basar und Herr Daniel Cohn-Bendit ein und Herr Volker Beck & Co. Wissen Sie, es wird so getan, als ob die Kinder ohne diese Frühsexualisierung irgendwie schlecht wären oder schwulenfeindliche Hasskandidaten werden würden. Kann ja aber nicht sein, da sie bislang ja dazu auch nicht geworden sind, oder ?

    Sie können diese für Sie sicherlich sehr unangenehme Kritik ja zensieren, wenn Sie jetzt wollen, aber immerhin haben Sie es schonmal lesen müssen und ich hoffe, daß Sie bevor Sie mich jetzt für irgendein Feindbild halten, wenigstens versprechen, eine Minute darüber nachzudenken.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel :

      was heißt eigentlich "frühsexualisierung"?ich bin in BW aufgewachsen und unserer sexualkunde untericht war völlig belanglos,öde und am thema vorbei.irgendwas mit bienen,blumen und bestäubung.

      da habe ich von der bravo mehr gelernt, oder von den sexheftchen die wir aus dem altpapierkontainer entwendeten.

      wenn dies ihrer meinung nach die richtige form der aufklärung ist-bitte.

      schwul oder schwuchtel,war bei uns in der schule so ziemlich das schlimmste schimpfwort.

      ein outing eines mitschülers wäre wohl der soziale selbstmord gewesen.

       

      aber für das wohlergehen dieser schw... interssieren sie in wahrheit ja doch nicht,oder?

       

      es geht auch nicht darum kinder zu sexualisieren.ich habe mit 11 jahren das erste mal so etwas ähnliches getan wie onaniert.

      ich wusste nicht was mit mir los war und ob ich abartig,krank oder total verorben war.

      ein bischen info aus der schule was den geschlechtsreife konkret bedeutet,wäre echt nicht verkehrt gewesen.

      stattdessen blümchen und bienen.

       

      danke dr. sommer!

      • 9G
        970 (Profil gelöscht)
        @6474 (Profil gelöscht):

        Richtig, in BaWü hatte man keine andere Wahl, als die Bravo in die eine und das Geschlechtsorgan in die andere Hand zu nehmen und sich selbst zu erkunden.

         

        200.000 konservative Menschen unterzeichneten eine Erklärung, dass sie sich von ihrem Taschengeld keine Bravo leisten konnten...

    • @Thomas Schöffel :

      Naja, die Bildungsgegner, die gegen den Bildungsplan auf die Straße gehen, sind ja genau das, was durch den Bildungsplan verhindert werden soll: Dass verklemmte Minderheiten, die sich aus unerfindlichen Gründen für "die Mehrheit" halten, versuchen, anderen Minderheiten gleiche Rechte, gleichen Respekt und gleiche gesellschaftliche akzeptanz vorzuenthalten.

       

      Genau deshalb ist dieser Bildungsplan auch genau richtig. Herr Kretschmann reagiert lediglich darauf, dass sich bei diesen Bildungsgegnern bei den Worten "Sex" und "Sexualität" offenbar das Hirn ausschaltet und spricht deshalb nurnoch von "Akzeptanz von Vielfalt". Ein kluger Schachzug, wie ich finde. Wer jetzt noch dagegen ist, entlarvt sich als Menschenfeind.

  • Jetzt gibt es bald DDR-Verhältnisse:

     

    Sie abgenickte öffentliche offizielle Meinung und die private Meinung, in der die Eltern die Dinge wieder gerade ruecken muessen.

     

    Aber Vorsicht: Nicht erwischen lassen, durch unvorsichtige Äusserungen der Kinder!

  • "In dem vorformulierten Schreiben fordert die „Initiative Familienschutz“, das Thema aus dem Bildungsplan zu streichen: „In den Köpfen der Kinder soll die Ehe zu einer simplen Variante unter allen möglichen sexuellen Orientierungen degradiert werden.“"

     

    Ähm... ja.... ist sie doch auch. :-)

     

    Am besten reichen die Kinder entsprechender Eltern ihr Unterrichtsmaterial zuhause gleich einmal weiter.

  • Das feminismus- und genderkritische Bücher vom Buchhandel ignoriert werden, ist ja altbekannt. Arne Hoffmann und andere haben die gleiche Erfahrung gemacht. Einen Bestseller nicht verkaufen wollen, aber gleichzeitig über sinkende Umsätze klagen, paßt irgendwie nicht zusammen.

  • 200.000 Steinzeitmenschen, wow.. :(

    Wo genau die Regierung denen jetzt nachgegeben haben soll erschließt sich mir nicht ganz, vielmehr haben sie ja noch mehr humanistische Themen eingebracht, wie im Artikel selber steht.

  • class="article odd" trifft es ganz gut.